„Normalität wird es so nicht mehr geben“

Durch die Konzertreihe „Kultur am Pavillon“ konnten viele Musiker 2020 trotz Corona auftreten. Damit das auch
2021 möglich wird, braucht es Unterstützung vom Publikum.

Von Tom Vörös
Maria Helm rief die Konzertreihe „Kultur am Pavillon“ 2020 ins Leben.
Maria Helm rief die Konzertreihe „Kultur am Pavillon“ 2020 ins Leben. © Ryke Waltz Studios / www.rykewaltz.net

Maria Helm ist selbstständige Musikerin, Pädagogin und betreibt die Künstleragentur Mea Mara Entertainment, mit der sie Künstler an Veranstalter vermittelt. Coronabedingt trat sie 2020 als Konzertveranstalterin auf und initiierte die Freiluft-Konzertreihe „Kultur am Pavillon“ an der Dresdner Albertbrücke. Im Interview gibt Maria Helm Einblicke ins derzeitige KünstlerInnen-Dasein, wirbt für den Start ihrer Konzertreihe im Frühling und verrät ihren schönsten Moment 2020 als Musikerin.

Der Pavillon an der Dresdner Albertbrücke eignet sich perfekt für ein lauschiges Konzerterlebnis.
Der Pavillon an der Dresdner Albertbrücke eignet sich perfekt für ein lauschiges Konzerterlebnis. © Ryke Waltz Studios / www.rykewaltz.net

Wie ist die Idee zu „Kultur am Pavillon“ entstanden?

Die Idee entstand im Frühjahr 2020 während des Lockdowns. Genau wie jetzt durften die Menschen ihre Wohnungen eigentlich nur zum Spazierengehen verlassen. Es gab plötzlich keine Konzerte und keine Kulturveranstaltungen mehr. Jeden Tag hagelten Absagen auf uns ein und bereits geschlossene Verträge wurden gekündigt. Das ist eine ernste Bedrohung für unseren Lebensunterhalt. Wir hatten die Idee wenigstens ein bisschen Straßenmusik zu machen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort, kam uns der Pavillon in den Sinn. Die Altstadt ist zu eng, um wirklich Abstand zu halten, und die Läden sind sowieso geschlossen. Die Dresdner bewegen sich entlang der Elbe, um frische Luft zu schnappen. Und anders als beim Pavillon am Japanischen Palais hat der Pavillon an der Albertbrücke in der Mitte keine Säule und eignet sich daher besser als Bühne. Auch die akustische Situation ist an der Albertbrücke besser. Man kann sogar von der Brücke aus das Geschehen verfolgen und gut zuhören.

Braucht man für diese Konzerte eine Genehmigung?

Es gibt eine Absprache mit der Stadt bzw. dem Straßentiefbauamt und für Straßenmusik gibt es ja auch eine Regelung. Ich habe von den Ämtern sehr viel Unterstützung erfahren, wofür ich sehr dankbar bin. Die Stadt Dresden scheint sehr daran interessiert zu sein, dass es mit der Kultur weitergeht, dass wir diesen Ort beleben und etwas anbieten, was in diesen Zeiten schwierig ist.

Gibt es eine Kooperation mit den „Dresdner Kulturinseln“?

„Kultur am Pavillon“ ist ein eigenständiges Projekt, das es schon lange vor den „Kulturinseln“ gab. Allerdings stehe ich auch im Kontakt mit dem „Kulturinseln“-Projekt. Dort haben auch einige Bands gespielt, die ich betreue. Organisatorisch haben die beiden Sachen aber nichts miteinander zu tun.

Sie selbst machen irische Musik, die ja prädestiniert ist für Straßenmusik. Ist der Auftritt im Pavillon der erste dieser Art gewesen?

Komplett akustisch und direkt am Fahrradweg hatten wir mit The Reel Chicks and Family vorher tatsächlich noch nie gespielt. Das war eine ganz neue Erfahrung. Und es kam gut an. Mit meiner Künstleragentur habe ich das Konzept dann ausgebaut und jede Woche Konzerte veranstaltet. Anfangs sogar Samstag- und Sonntagnachmittag, ab August dann nur noch sonntags.

Wie waren Ihre persönlichen Erfahrungen beim Auftritt?

Das war einfach unglaublich. Wir hatten bis dahin eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr live gespielt. Das letzte Mal zuletzt zum St. Patrick’s Day am 17. März 2020 in einem Livestream-Konzert. Das war eine ganz neue Erfahrung für uns, da es bei Internet-Konzerten überhaupt keinen Applaus gab. Dann auf einmal an der Elbe zu stehen und die Leute zu beobachten, wie sie stehenbleiben und sich darüber freuen wieder Livemusik zu hören, das war schon ein besonderer Moment. Und besonders dieses Geräusch von Applaus wieder einmal hören zu dürfen.

Was kann das Publikum für die Künstler vor Ort tun?

Die Bands bieten am Pavillon ihre CDs, Plakate etc. an. Zunächst konnte man, wie bei Straßenmusik üblich, Spenden in einen Gitarrenkasten werfen. Später bin ich dann mit einem Hut, der auf einem Stock befestigt war, herumgegangen. Die Leute haben das mit viel Freude aufgenommen, da ich auch aktiv um Unterstützung gebeten und geschildert habe, wie es zurzeit in der Kulturbranche aussieht. Jeder hat so viel gegeben, wie er konnte oder mochte. Unsere Empfehlung sind 5 bis 10 Euro pro Konzert. Manche haben deutlich mehr gegeben. Andere auch gar nichts, so ist das eben bei Straßenmusik.

Gehen Sie bei der Auswahl der Künstler aktiv auf Musiker und Bands zu, die davon leben wollen oder müssen?

Ja, ich habe bewusst BerufsmusikerInnen eingeladen, die davon leben. Es ist Teil des Formats, dass Bands auftreten, deren Einkommen im Moment gleich Null ist. „Kultur am Pavillon“ ist bewusst als Unterstützungsprojekt angelegt. Die Dresdner Musikerszene ist gut vernetzt und durch meine Künstleragentur habe ich ja sowieso mit vielen Künstlern zu tun. Dadurch habe ich auch viele Bewerbungen bekommen, auch von außerhalb, die konnte ich leider gar nicht alle beherzigen.

Haben Sie 2020 Geld für die Finanzierung der Konzertreihe bekommen?

Drei Konzerte im September sind mit Kulturfördermitteln der Stadt Dresden unterstützt worden. Das Programm „Kunst trotzt Corona“ hat 2020 über den Branchenverband „Wir gestalten Dresden“ Fördermittel an verschiedene Projekte vergeben. Darüber konnte ich Gelder bekommen und an die Künstler auszahlen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ansonsten finanziert sich das Projekt aus Spenden von Gästen und Kulturinteressierten.

Wie läuft es in dieser Richtung weiter?

Um die Konzertreihe 2021 finanzieren zu können, habe ich ein Crowdfunding gestartet. Es läuft noch bis Ende des Monats. Über die Internet-Plattform Startnext können KulturliebhaberInnen das Projekt unterstützen. Zusätzlich bemühe ich mich um weitere Fördergelder, um die Konzerte zu finanzieren. Je mehr finanzielle Mittel ich zur Verfügung habe, desto mehr Konzerte können stattfinden und desto mehr KünstlerInnen können wir unterstützen.

Wie ist die Atmosphäre bei den Konzerten?

Wir wurden besonders dafür gelobt, dass man sich um den Pavillon herum so individuell platzieren kann. Ob man nun oben auf der Albertbrücke am Geländer lehnt und herunterschaut oder ob man auf der Wiese auf der Picknickdecke sitzt. Ob man während des Konzerts Wikingerschach spielt oder mit dem Hund herumtollt – jeder fühlt sich auf seine Weise wohl. Unter der Brücke gibt es einen kleinen asphaltierten Streifen, der gern zum Tanzen genutzt wird, in Pärchen oder Haushalten. Einige bringen sich Hocker oder Anglerstühle mit. Einzig den Fahrradweg müssen wir freihalten.

Wie optimistisch sind Sie, dass es irgendwann wieder losgeht mit dem Kulturleben?

Ich kann das genauso wenig einschätzen wie alle anderen auch. Ich merke nur gerade, dass den Musikern um mich herum so langsam die Puste ausgeht, mir selber auch. Ich bin ja genauso vom Berufsverbot betroffen wie alle anderen Künstler. Ich versuche aber optimistisch zu bleiben ganz viel Motivation und Energie zu spenden. Ich empfinde inzwischen eine Art Realismus. Der Zustand, so wie er mal gewesen ist oder die Annahme, dass alles endlich wieder normal wird, das wird es so nicht geben. Wir müssen uns stattdessen darauf einstellen, dass es zwar weitergeht, aber anders. Und daher müssen wir Formate finden, die mit der neuen Situation zurechtkommen. Für viele Musiker war ein Auftritt bei „Kultur am Pavillon“ das einzige Konzert, das sie 2020 geben konnten. Ich hoffe also, dass weiter möglichst viele Künstler bei uns auftreten können.

Spenden für die Konzertreihe „Kultur am Pavillon“ kann man im Internet über:

www.startnext.com/kultur-am-pavillon

Zahlreiche Bands konnten sich im Pavillon an der Dresdner Albertbrücke ihrem Publikum präsentieren.
Zahlreiche Bands konnten sich im Pavillon an der Dresdner Albertbrücke ihrem Publikum präsentieren. © Ryke Waltz Studios / www.rykewaltz.net

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