Vorstoß von Eventim: Mit dem Impfausweis ins Konzert?

Der Ticketverkäufer CTS Eventim hat die Diskussion um die Legitimität von Impfprivilegien angestachelt. So finden Sachsens Veranstalter die Idee.

Der Ticketverkäufer CTS Eventim hat die Diskussion um die Legitimität von Impfprivilegien angestachelt.
Der Ticketverkäufer CTS Eventim hat die Diskussion um die Legitimität von Impfprivilegien angestachelt. © dpa

Berlin. Mit dem Impfausweis ins Konzert, Theater oder Museum? Ein Ticketverkäufer geht damit in die Offensive. Und seine Idee stößt in Sachsen auf ganz unterschiedliches Interesse. Während Privatveranstalter dies für eine Option halten, lehnen subventionierte Einrichtungen ab.

Worum geht es? Private Veranstalter sollten aus Sicht des Ticketverkäufers CTS Eventim in Zukunft die Möglichkeit haben, nur geimpfte Menschen für Veranstaltungen zuzulassen. „Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen“, sagte Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg der „Wirtschaftswoche“. Das Unternehmen habe bereits seine Systeme so eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten.

Bundesjustizministerin Christina Lambrecht (SPD) wies am Mittwoch darauf hin, dass dies grundsätzlich legitim wäre. "Es macht einen großen Unterschied, ob der Staat Grundrechte einschränken muss oder ob Private Angebote für bestimmte Personengruppen machen möchten", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch. Privatunternehmen dürften im Grundsatz selbst bestimmen, mit wem sie Geschäfte machen möchten. "Juristen sprechen hier vom Grundsatz der Privatautonomie. Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich untersagen können", betonte die Justizministerin.

Aust: Einlassregelungschwer umsetzbar

Sie verwies aber darauf, dass es anfangs nicht genügend geimpfte Personen geben werde, "dass sich solche Unterscheidungen für die Wirtschaft lohnen würden. Und je weiter die Impfungen voranschreiten, desto eher werden wir alle zur Normalität zurückkehren können. Wir sprechen hier also nur über einen relativ kurzen Übergangszeitraum."

Ganz unterschiedlich reagieren Veranstalter in Sachsen auf die Idee, dass Kulturbesuche nur für Geimpfte möglich sein sollen. Für den Dresdner Veranstalter Rodney Aust, der unter anderem den Alten Schlachthof und die Freilichtbühne „Junge Garde“ betreibt, ist der ausschließliche Einlass für Geimpfte durchaus eine Option. „Irgendwann hat der Staat kein Geld mehr für uns. Dann müssen wir, um überleben zu können, Konzerte wieder unter wirtschaftlichen Aspekten organisieren. Und das geht nun mal mit Abstand und halb leeren Sälen nicht.“

Allerdings befürchtet er, dass eine entsprechende Einlassregelung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes schwer durchzusetzen ist. „Lässt sich das jedoch irgendwie rechtlich absichern, werden nicht nur wir diesen Weg gehen, dann werden das sehr viele privatwirtschaftliche Unternehmen genauso machen.“ Größter Haken für ihn ist derzeit: „Das alles funktioniert nur, wenn es zügig genug Impfstoff für alle gibt. Geht es im gegenwärtigen Tempo weiter, dauert es bis mindestens Herbst. Und das wäre eine Katastrophe.“

"Wo ist denn jetzt mein Impfzertifikat?"

Die Staatstheater Semperoper und Staatsschauspiel sind sehr zurückhaltend: „Dazu gibt es derzeit keinerlei Überlegungen“, heißt es unisono. Und die Staatlichen Kunstsammlungen verweisen in Richtung Politik: „Wir freuen uns auf den Moment, wenn uns die Menschen wieder besuchen, die sich natürlich an die geltende Corona-Schutzverordnung halten müssen. Wenn darüber hinaus ein Impfausweis zur Vorbedingung für den Besuch einer Kulturveranstaltung gemacht werden sollte, dann wäre dies eine Entscheidung, die für alle staatlichen Behörden Sachsens gleichermaßen getroffen werden müsste.“

Für Kinos ist ein Vorstoß wie der von CTS Eventim aus Sicht von Christian Bräuer, dem Vorsitzenden der AG Kino, aktuell eher nicht vorstellbar. Er sieht vor allem praktische Probleme bei einer möglichen Umsetzung: „Will ich jetzt da den Einlass verzögern, weil irgendwer sagt, wo ist denn jetzt mein Impfzertifikat?“

Noch unklar, ob Geimpfte noch ansteckend sind

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Farbe bekennen", derzeit sei nicht klar, ob ein Geimpfter noch andere anstecken könne. Solange das nicht geklärt sei, könne es überhaupt keine besonderen Maßnahmen oder Rechte für Geimpfte geben. Mit Blick auf Menschen, die sich später bei ausreichendem Impfangebot nicht immunisieren lassen wollen, fügte Merkel hinzu: "Dann muss man vielleicht schon solche Unterschiede machen und sagen: Ok, wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch bestimmte Dinge nicht machen."

FDP-Chef Christian Lindner betonte, man könne Freiheitsbeschränkungen "schlecht in Kraft lassen bis die letzte Person, die geimpft werden möchte, sich hat impfen lassen." Man könne nicht vielen Millionen Geimpften "in Zukunft die Freiheit verwehren", schrieb Lindner in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal t-online. "Wenn von einem Menschen keine Gefahr ausgeht, dann darf man ihn nicht mehr an der Verwirklichung seiner Grundrechte hindern", warnte Lindner. AfD-Vize Stephan Brandner betonte, Grundrechte würden für alle gelten. Die AfD lehne eine Impfpflicht ab, "egal ob ausdrücklich im Gesetz geregelt oder indirekt über die Versagung von Rechten". (dpa)