Dresden erleben mit der Straßenbahn

Die Sehenswürdigkeiten der geführten Tour liegen an den Strecken, die früher befahren wurden. Das soll nicht nur Straßenbahnfans anlocken.

Ab dem Postplatz ging es auch 1967 schon mit der Bahn in den Dresdner Westen.
Ab dem Postplatz ging es auch 1967 schon mit der Bahn in den Dresdner Westen. © Gerhard Hofert SLUB Deutsche Fotothek

Dresden. Eine richtige Klingel ertönte, bevor sich die Türen schlossen. Dann sprangen kreischende Elektromotoren an, die die zwei Türhälften in Bewegung setzen, bis sie in der Mitte mit einem lauten "Klack" aufeinandertrafen.

Dieses Geräusch kennen Dresdner, die in den 70er-Jahren in Dresden Straßenbahn gefahren sind. Gotha-Wagen wurden diese Bahnen wegen ihrer Herkunft genannt und sie waren in Dresden allgegenwärtig.

Sind sie jetzt wieder. Nicht auf den Schienen, aber in einem Buch, das sich den Dresdner Straßenbahnstrecken widmet. "Das ist kein Fachbuch", sagt Herausgeber André Marks.

Der 48-jährige Dresdner versteht fast 290 Seiten umfassenden Band 1 seiner noch unvollendeten Serie eher als Gelegenheit für einen gedanklichen Stadtrundgang.

Dieser führt durch den Dresdner Westen und dabei sollen nicht nur Straßenbahnfreunde mitkommen, sondern auch Menschen, die an der Dresdner Geschichte interessiert sind.

Die geführte Tour kostet knapp 50 Euro. Sie führt vom Postplatz nach Cossebaude, spart den Schlachthof, Löbtau und Wölfnitz nicht aus und nimmt die Buchbesucher mit ins noch unvollendete Gorbitz.

Etwa drei Jahre lang bewegte Marks die Idee dazu, bevor er die Arbeit an Band 1 im Sommer 2019 startete. "In den letzten fünf Jahrzehnten ist etwa ein halbes Dutzend Veröffentlichungen zu Dresdner Straßenbahnen erschienen", sagt Marks, der sich als Redakteur und Lektor nicht nur in seiner Freizeit mit Verkehrsgeschichte befasst.

"Wann immer ich nach Aufnahmen aus Cossebaude, Bühlau oder Pillnitz gesucht habe, ging bei mir das wilde Blättern los", begründet er, dass es ein neues Buch geben musste, geordnet nach Himmelsrichtungen und anhand von Straßenbahnstrecken.

In Cossebaude musste an der Endhaltestelle umgekuppelt werden. Das Foto entstand am 30. Juni 1990, wenige Monate später stellten die Verkehrsbetriebe den Straßenbahnverkehr zwischen Cotta und Cossebaude ein.
In Cossebaude musste an der Endhaltestelle umgekuppelt werden. Das Foto entstand am 30. Juni 1990, wenige Monate später stellten die Verkehrsbetriebe den Straßenbahnverkehr zwischen Cotta und Cossebaude ein. © Ernst Lassbacher

Fotografen mit einem anderen Blick auf Dresden

In Band 1 geht es unter anderem mit der Linie 1 bis an die Endhaltestelle in Cossebaude. Jede Menge Fotos zeigen die alten Straßenbahnen. Sie stammen nicht nur von Dresdnern oder aus dem Archiv der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), auch aus Dänemark, Holland und Österreich hat Marks Fotos zusammengetragen.

"Das waren Fotografen, die einen anderen Blick auf den DDR-Alltag hatten", auf Situationen, "bei denen wir Einheimischen absichtlich nicht auf den Auslöser gedrückt haben, weil uns das Geschehen zu alltäglich oder zu politisch gefärbt vorkam", sagt Marks.

Wichtig war ihm auch, dass auf den Fotos nicht wie in vielen anderen Büchern formatfüllend nur Straßenbahnen zu sehen sind. Denn es soll sich ja auch an Menschen richten, denen die historischen Züge keine Glücksjuchzer entlocken.

"Unser Ziel war es von Anfang an, möglichst viel Umfeld entlang der beschriebenen Straßenbahnstrecken zu zeigen: bekannte Häuser, Gaststätten, Fabriken, Minol-Tankstellen oder Kreuzungspunkte mit der Eisenbahn oder Autobahn."

Deshalb haben Herausgeber Marks und seine Autoren nach Fotos gesucht, auf denen auch einen Delikat-Laden, ein HO-Geschäft, ein Konsum oder ein längst abgerissener Gasthof zu sehen ist.

In den Bildtexten steht, was sich seit 1990 verändert hat, was sich heute in den Häusern befindet. "Gerade entlang der Meißner Landstraße, in der heute keine Schienen mehr liegen, werden zahlreiche Anwohner ihre Häuser im Zustand der DDR-Jahrzehnte wiederentdecken", ist André Marks überzeugt.

Gorbitz, Ende Juni 1984: Sie Straßenbahnstrecke vom Platz der Bauarbeiter (heutiger Amalie-Dietrich-Platz) zum Platz der Eisenbahner (heutiger Merianplatz) wird freigegeben - damals privat fotografiert von einem Neu-Gorbitzer.
Gorbitz, Ende Juni 1984: Sie Straßenbahnstrecke vom Platz der Bauarbeiter (heutiger Amalie-Dietrich-Platz) zum Platz der Eisenbahner (heutiger Merianplatz) wird freigegeben - damals privat fotografiert von einem Neu-Gorbitzer. © Frank Ebermann

Seine Autorengruppe setzt sich dennoch vor allem aus Straßenbahnkennern zusammen. Norbert Kuschinski gehört dazu, der früher im Verkehrsmuseum für den Bereich Nahverkehr zuständig war.

Ebenso der Lehrer Jöran Zill, der sich in seiner Freizeit mit Architektur und Straßenbahngeschichte befasst. Und Frank Ebermann, laut Marks einer der ersten, der in den neu entstehenden Plattenbauten in Gorbitz eine Wohnung bekommen hat.

"Er schreibt über das Chaos", sagt Marks. Über die Zeit, in der schon die ersten Dresdner in dem neu entstehenden Gebiet wohnten, während noch gebaut wurde.

"Sie mussten über Erdberge steigen, auf verschlammten Wegen gehen, die Kaufhallen waren noch nicht fertig." Aber immerhin: Die Straßenbahn fuhr schon.

Info: Straßenbahnen in Dresden, Band 1: Die Linien in den Western der Stadt;, Herausgeber André Marks; Autoren Norbert Kuschinski, Jöran Zill, Frank Ebermann; erschienen im Januar 2021; ISBN 978-3-96453-289-3.

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