"Die Anerkennung der Pop- und Subkultur ist längst überfällig"

Solo-Selbstständige im Kultursektor gehören zu den am meisten Betroffenen der Corona-Krise. Der Dresdner Veranstalter Robert Schmidt berichtet aus einem derzeit schwierigen Leben zwischen Lähmung und Hoffnung.

Von Tom Vörös
Noch ist Robert Schmidt zuversichtlich, dass es in diesem Jahr gut besuchte Konzerte geben wird.
Noch ist Robert Schmidt zuversichtlich, dass es in diesem Jahr gut besuchte Konzerte geben wird. © Juliane Hanka / PR

Robert Schmidt organisiert seit vielen Jahren leidenschaftlich Konzerte. Als Veranstalter und Solo-Selbstständiger erlebt er den zweiten Lockdown weitaus härter als andere in der Branche. Im Interview macht er sich für eine längst überfällige Kulturförderung im Klubbereich stark, lobt und tadelt das Internet und macht sich Gedanken über neue berufliche Perspektiven.

Auf Szenen wie diese hoffen die Veranstalter in diesem Jahr.
Auf Szenen wie diese hoffen die Veranstalter in diesem Jahr. © Dave Mante / PR

Wie geht es Ihnen persönlich in diesen turbulenten Zeiten? 

Mir geht es gut. Ich bin mit einigen neuen Jobs und Aufgabenfeldern gut durch diese Monate gekommen. Es nagt natürlich trotzdem an der Psyche, dass man seit Monaten nicht wirklich weiß, wie und ob man seine eigentliche Arbeit, die man viele Jahre gemacht hat, irgendwann mal weitermachen kann. Gerade wurde meine Anstellung beendet und ich muss mich neu orientieren, was natürlich echt hart ist. Aber irgendwie wird‘s schon gehen.

Wie kommt ein umtriebiger Kulturarbeiter wie Sie mit den Einschränkungen klar?

Am meisten nervt mich, dass Vieles zum Erliegen gekommen ist woran man die letzten Jahre gearbeitet hat. Da wurde man in vielem einfach um ein Jahr zurück geworfen, also es steht nicht still, sondern es zerfällt eben einiges sogar. Strukturen und Netzwerke brauchen den stetigen Austausch und der ist natürlich durch die aktuellen Einschränkungen kaum mehr möglich. Soziale Netzwerke und Videotelefonie sind zum Abarbeiten von Fragen okay, aber sie schaffen kein echtes Gemeinschaftsgefühl. Netzwerken ist also gerade schwierig. Hingegen versuche ich jetzt die Zeit zu nutzen, um eigene künstlerische Projekte wie meine Musik voranzubringen, so weit das zu Hause eben geht und es die finanziellen Mittel erlauben. Ebenso bilde ich mich weiter und versuche mir weitere Fähigkeiten in der Medienverarbeitung anzulernen.

Wieviel vom Berufsleben kann man mit Video-Chats kompensieren? Kann die Digitalisierung ein Segen sein?

Mein primäres Berufsleben steht größtenteils still, da seit einem knappen Jahr keine Konzerte und Partys mehr möglich sind. Video-Chats helfen dir nicht, wenn der Inhalt deiner Arbeit untersagt ist. Ich denke, dass die Club- und Konzert-Kulturbranche schon lange vor 2020 gut digitalisiert war und sogar eher eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung eingenommen hat. Digitale Veranstaltungsformate haben wir im letzten Jahr ja sehr viele gesehen und wir haben da natürlich auch selbst viel, z.B. im Klubnetz, gemacht. Aber meiner Meinung nach kann kein digitales Format eine Party oder ein Live-Konzert vermitteln. Es ist einfach ein anderer Kommunikationskanal den man auch entsprechend nutzen kann und sollte. Bei allem, bei dem das persönliche Kennenlernen ein gewichtiger Teil ist, muss einfach auch physische Teilhabe vorhanden sein. Aber ohne die digitalen Möglichkeiten von heute wären diese Lockdowns kaum zu überstehen, ja wären vielleicht auch gar nicht so lange umsetzbar. Fazit: Digitalisierung ist toll, vor allem für die Verbreitung von Wissen. Aber das Internet kann kein Fundament einer Gesellschaft sein, zumindest keiner, in der ich gern leben möchte.

Wie empfinden Sie den Zusammenhalt in der lokalen Kulturszene?

Die Netzwerke, die schon immer gut zusammengearbeitet haben, stehen auch jetzt zusammen. Austauschforen wie das Netzwerk #wod oder Netzwerk Kultur Dresden funktionieren auch in dieser Zeit gut. Finanziell sehe ich aber eine sehr große Kluft zwischen den öffentlich geförderten Häusern und den privaten Kulturinstitutionen. Ohne Spenden hätten einige Klubs sicher schon schließen müssen. Beispielsweise eine steuerliche Gleichstellung privater Kulturveranstalter mit den öffentlich geförderten Häusern könnte ja auch ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt sein. Aktuell gelten die meisten zeitgenössischen Klubs noch als „Vergnügungsstätten“, während Oper, Operette und Theater als „Kulturstätten“ gelten. Die Anerkennung der Pop- und Subkultur ist in Dresden meiner Meinung nach längst überfällig. Andere Städte wie Wien, Hamburg, Kopenhagen, Reykjavik, Barcelona, Lyon oder auch Stuttgart haben das längst erkannt und haben gelernt, diesen Kultursektor zu unterstützen und seine Potenziale auch für die periphere Gastwirtschaft zu nutzen.

Sie waren lange Zeit u.a. für den Dresdner Klub GrooveStation tätig. Was waren die Gründe für den Ausstieg?

Ich war seit 2017 im GrooveStation-Team dabei, habe da aber auch schon viele Jahre davor Konzerte veranstaltet. Die Gründe für die Beendigung unserer Zusammenarbeit liegen natürlich in der aktuellen wirtschaftlichen und mentalen Situation. Seit März 2020, immerhin nun fast ein ganzes Jahr, hat der Klub praktisch keine Einnahmen. Die finanzielle Situation ist natürlich desaströs. Da muss man dann irgendwann auch strukturell für die Zukunft umbauen. Keiner von uns weiß ja, wie, wann und ob überhaupt in den nächsten Monaten wieder Konzerte möglich sein werden. Psychisch ist das für alle natürlich auch privat eine starke Belastung, woraus sich dann in der Zusammenarbeit auch wieder Probleme ergeben. Man muss ja von Monat zu Monat immer weiterdenken und hat absolut null Planungssicherheit. Das stellt so ziemlich alles in Frage, was man da täglich noch versucht umzusetzen und zu ermöglichen.

Sie möchten weiterhin freischaffend Kulturarbeit leisten. Was gibt Ihnen Hoffnung, dass das bald wieder zufriedenstellend klappen kann?

Ich hoffe einfach, dass wir den Virus bald zumindest mit medizinischen Mitteln beikommen können. Es wird ja wohl auch an Arzneimitteln geforscht, die im Falle einer Erkrankung sehr gute Heilungschancen versprechen. Der Impfstoff ist natürlich auch ein Schimmer am Horizont. Ich glaube einfach, dass unsere Behörden alles tun, um uns bald wieder vielerlei Arten von „Kultur“ zu ermöglichen und uns damit einen großen Teil unseres Lebensinhalts wiedergeben.

Kennen Sie Kulturschaffende, die bereits aufgegeben haben? Wenn ja, aus welchen Gründen?

Ich kenne persönlich keinen, der komplett aufgegeben hat. Wie soll das jemand auch? Es gab ja null Planungssicherheit. Im privatwirtschaftlichen Bereich haben viele ihr Einkommen verloren, die Selbstständigen sind dann jetzt im November mal mit bedacht worden und bekommen einen Monat ausgeglichen. Da ist fast jeder frustriert, klar. Aber du kannst nicht den Hut an den Nagel hängen, wenn du ihn, wie ich, schon 15 Jahre lang aufhattest. Denn es ist ja dein Lieblingshut. Viele Selbstständige, die ich kenne, machen nun aber andere Jobs auf dem Bau oder fahren Essen aus oder machen Vertretungsjobs oder sind nun beim Amt auf ALG II, was als letzte und anstrengendste Alternative aber viele scheuen.

Würden Sie in diesen schwierigen Zeiten in Erwägung ziehen, die Branche zu wechseln? Was wäre da vorstellbar?

Darüber habe ich schon mal nachgedacht. Ich kann mir das natürlich vorstellen. Aber ehrlich gesagt, bin ich ähnlich wie ein Informatiker sehr stark spezialisiert auf das, was ich tue. Das wirft man ja nicht einfach weg. Ich kann mich natürlich auch in andere Felder reinfuchsen, aber das würde eben auch ein paar Jahre dauern und ich würde das tatsächlich erst tun, wenn ich wüsste, dass ich meinen Job in den nächsten zwei Jahren nicht mehr ausführen kann. Da ich ein BWL-Studium in der Tasche habe, kann ich mir schon alles mögliche vorstellen, aber es müsste schon etwas mit persönlichem Kontakt mit Menschen und einem, meinen gesellschaftlichen Werten entsprechendem Inhalt sein.

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Schwitzige Live-Konzerte und lange Nächte. Leben auf der Straße. Mehr Miteinander als intimes Couchsurfen..

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Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

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Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise