„Wir haben jetzt eine Menge Zeit für den Gesellenbrief“

Humorvolles Lebenszeichen aus dem Lockdown - von der bekannten sächsischen Band Zärtlichkeiten mit Freunden.

Von Tom Vörös
Seit nunmehr 21 Jahren erfolgreich als Musik-Komödianten deutschlandweit unterwegs: Zärtlichkeiten mit Freunden.
Sorgen seit 21 Jahren für Schabernack mit Musik: Zärtlichkeiten mit Freunden. © Edgar Schröter / PR

Das Musikcomedy-Duo Zärtlichkeiten mit Freunden, bekannt aus Funk und Fernsehen, darf sich derzeit nicht im Rampenlicht sonnen, sondern verbringt die Arbeitszeit in trauter Zweisamkeit. Wir fragten Cordula Zwischenfisch und Ines Fleiwa, was sie im Lockdown so anstellen und vor allem: Wie haben die zwei Flachsraketen eigentlich Silvester gefeiert?

Die Künstler verbreiten gerne eine leicht irritierende, doch humorvolle Wohnzimmer-Atmosphäre.
Die Künstler verbreiten gerne eine leicht irritierende, doch humorvolle Wohnzimmer-Atmosphäre. © Steffen Rinka / PR

Liebe Zärtlichkeiten, wie ergeht es Ihnen dieser Tage?
Wir fühlen uns wie Gräupcheneintopf im evangelischen Kindergarten. Irgendwie grau und stehengelassen. Wir sind gerade in so einer Art Standby-Modus. Aber wir lassen uns nicht runterziehen, sondern sind viel draußen an der frischen Luft, ballern uns Vitamin D und andere Köstlichkeiten rein und vertreiben uns die Zeit mit Sinnieren, Laubsägearbeiten und damit, eBay-Kleinanzeigen mit Tinnef aus unseren Kellern und Dachböden vollzuspammen. Wenn jemand eine Parmesankurbelreibe braucht, kann er sich gern persönlich melden. Wir machen auf jeden Fall „letzte Preis“. Außerdem ist jetzt mal Zeit, die Instrumente zu reparieren und vor allem auch, um auf den reparierten Instrumenten herumzuüben. Der Ines will gern endlich einen echten Barrégriff auf der Gitarre beherrschen und der Cordula übt eine nonchalante Locke auf seiner Schnarrseitentrommel.

Wie haben Sie Silvester gefeiert?
So, wie es die Regierenden uns geheißen haben. Im trauten Kreise ohne Pol*innenböller. Aber das hätten wir sowieso so gemacht. Silvester ist nämlich nicht so unser Ding. Da muss man sich immer so viel fürs neue Jahr vornehmen. Was wir aber wirklich heiß empfehlen können, ist das „Premium-Kids-Blitz-Brillant-Sonnenfeuerrad“. Das dreht locker zwei Minuten, knallt nicht und hinterher hat man vom Draufstarren einen hellen Kreis auf der Netzhaut, der bis ins neue Jahr anhält. Dazu etwas Bowle.

Welche drei Stichpunkte fallen Ihnen spontan für 2020 ein?
– Als der Cordula, stolz wie ein Hahn, seine neuen Halbschuhe zeigen wollte und dann damit im Matsch steckengeblieben ist. Da musste seine Mutti lachen.
– Als wir an der Tanke in unserem Band-Škoda die verschimmelte Banane unter dem Sitz gefunden haben, die der Ines sich als Vorrat dorthin gelegt hatte.
– Als wir im Garten vom Ines Frühkartoffeln rausgemacht haben und sich ein Stein darunter gemogelt hatte und wir es erst beim Schälen bemerkt haben. Da musste Cordulas Mutti wieder lachen. Das ist die, die immer lacht. Naja, muss man dabeigewesen sein.

Wie frustrierend ist es, keine Zärtlichkeiten verbreiten zu dürfen?
Wir würden sagen, so zirka 80 Prozent.

Für Januar waren schon Termine fix. Wie ist es dann, wenn die schon wieder verschoben werden?
Das ist für uns tatsächlich blöd, weil wir ja die Wegstrecken zu den Auftritten schon mehrfach mental durchgegangen sind. Diese Technik haben wir von Dietmar Schauerhammer, dem sehr guten Bobfahrer, übernommen. Aber zum Glück sind unsere Fans die weltbesten und bewahren ihre noch gültigen Eintrittskarten in dokumentenechten Klarsichtfolien auf, bis sie endlich eingelöst werden können.

Wie verbringen Sie als Künstler die Zeit im Lockdown?
Wir telefonieren, sortieren, reparieren, präparieren, probieren exotische Rezepte, spinnen an ein paar neuen Sachen und arbeiten vergilbte To-Do-Listen aus den 90´ern ab.

Wirkt Corona eher lähmend oder gibt es ein neues kreatives Hoch?
Unser Motor tuckert am besten, wenn wir vor Publikum sitzen. Dann haben wir die besten Ideen. Im Moment müssen wir uns das Publikum vorstellen. Und allein dafür geht in Cordulas Gehirn schon einiges an Rechenleistung drauf. Der Ines hingegen kann sich mühelos bis zu 2.000 Leute vorstellen.

Gab oder gibt es neue Konzepte, die Sie dieser Tage vielleicht im Internet umsetzen können?
Wir denken gerade darauf herum, ob und wie wir so eine Art Chronik unserer Band als Filmchen oder Streamchen machen können. Wir haben ja letztes Jahr ein Best Of unserer Sendung „Zärtlichkeiten im Bus“ für den MDR zusammengeschnippelt und würden das Gleiche jetzt mal mit unserem eigenen Kram machen. In 21 Jahren hat sich ja auch ein bisschen was angesammelt. Aber abgefilmte Auftritte vor leeren Sälen kommen für uns irgendwie nicht in die Tüte.

Gibt es Nach-Corona-Pläne?
Fjedn, wie wir Jugendlichen sagen. Wir müssen einiges nachholen, abarbeiten, aufarbeiten. Mit den ausgefallenen Terminen sind wir ja jetzt schon fast ein Jahr hinterher. Hoffentlich geht der ganze Schiet nicht mehr so lange. Hoffentlich stehen wir bald wieder auf den Bühnen der Schengenstaaten, obwohl wir ja sitzen.

Kann ein Lockdown für Künstler privat auch ein Segen sein?
Ja, unbedingt. Wir sehen tatsächlich auch eine Menge positive Aspekte. Unsere Buden und unser Proberaum sehen aus, wie ein geputzter Kronensaal. Alles liegt fein säuberlich an seinem Platz. Und wir haben eine Menge Zeit für die Familie und eventuell einen Gesellenbrief. Kürschner oder so.

Wie zärtlich gehen die Fans mit Ihnen um? Gibt es mentale oder auch materielle Unterstützung?
Ja. und darüber sind wir sehr dankbar. Unsere Fans sind schon ein toller Haufen. Wir bekommen viele aufmunternde Nachrichten, Vermissensbekundungen, Vorfreudemails, Dickpics, Dranbleibgrüße. Und wir freuen uns, wenn die Leute ein paar unserer T-Shirts kaufen. Dann bleiben wir, wenngleich in textiler Form, nahe an den Herzen und Winterekzemen unserer Fans.

Was wünschen Sie sich für 2021?
Wir wünschen uns, dass es besser wird als 2020 aufgehört hat und wir bald wieder vor gesundem, fröhlichen Publikum Schabernack machen dürfen. Und der Ines wünscht sich ein BMX-Rad.

www.zaertlichkeitenmitfreunden.de

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Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

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Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise