„So eine Zeit gab es noch nie, und wir machen die ersten Schritte darin“

Eine Opernsängerin aus Kanada, die in Dresden gestrandet ist: Steffi Dietz findet trotzdem Wege, sich weiter als Künstlerin zu behaupten.

Von Tom Vörös
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Steffi Dietz ist eines der "Kulturgesichter Dresden", eine Aktion, die auf die Nöte der Kulturbranche aufmerksam macht. © Daniel Scholz / PR

Französisch ist Ihre Muttersprache, Englisch und Deutsch spricht sie fließend. Steffi Dietz stammt aus dem kanadischen Montreal und hat familiäre Wurzeln in Haiti und Deutschland. Sie debütierte als Contessa in der Mozart-Oper „Hochzeit des Figaro“, sang u.a. in Wien und Stockholm. Im „Kulturgesichter“-Interview erzählt die 32-jährige Sopranistin, warum sie in Dresden landete, wie sie von hier aus den Lockdown meistert und wie sie einen Dresdner Balkon zur Bühne machte.

Die studierte Opernsängerin aus dem kanadischen Montreal widmet sich coronabedingt nun auch anderen Genres.
Die studierte Opernsängerin aus dem kanadischen Montreal widmet sich coronabedingt nun auch anderen Genres. © privat

Warum wollten Sie aus Montreal raus in die Welt?

Um andere Kulturen kennenzulernen. Man träumt ja auch viel davon, aber wenn man es dann wirklich macht, dann ist es oft ganz anders als man dachte. Seit 2014 war ich in Österreich, Schweden, Spanien, Frankreich. Und seit August 2020 in Dresden.

Wie haben Sie den Beginn der Krise im März 2020 erlebt?

Das war schon etwas lustig: Zu der Zeit war ich gerade in Spanien. Dann war ich eine Woche in Schweden und dann kam der Lockdown. Ich konnte also nicht zurück nach Spanien. In Schweden konnte ich auch nicht bleiben, da ich kein Visum hatte. Also bin ich nach Kanada zurück und in Quarantäne. Meine ganzen Sachen waren ja aber noch in Spanien. Als nach drei Monaten Reisen wieder möglich waren, flog ich nach Spanien zurück, wollte dann aber gleich nach Deutschland und jetzt bin ich hier.

Gibt es etwas in Deutschland, was es in Kanada nicht gibt?

Spätzle und Leberkäse..und vor allem Laugenbrot, das haben wir nicht in Kanada.

Vermissen Sie Ihre Heimat, Ihre Familie?

Meine Familie vermisst mich schon, aber bei mir ist das nicht ganz so. Denn ich lebe ja sehr zurzeit sehr unabhängig und reise sehr gerne, daher habe ich fast kein Heimweh. Ich möchte erstmal in Europa bleiben.

Wie haben Sie zum Beispiel Weihnachten gefeiert?

Ich habe ich hier gefeiert und ein kleines Konzert für meine Vermieter und Nachbarn gegeben. Wegen der Abstandsregeln auf deren Balkon. Das war mein einziges Konzert bisher in Dresden.

Wie lange bleiben Sie noch in Dresden?

Ich bleibe noch, aber irgendwann werde ich wahrscheinlich nach Berlin gehen. Da ich aus Montreal komme, sehne ich mich ein bisschen nach den ganz großen Städten. Dresden ist wirklich schön, muss ich sagen, ein bisschen klein, vor allem auch, was die Künstler-Szene betrifft. Aber die Leute sind supernett und helfen sich untereinander.

Was waren die Gründe, nach Dresden zu kommen?

Im August 2020 war ja schon alles zu. Ich wollte für ein paar Jahre in Deutschland leben, weil ich schon einmal mit einem Orchester bei einem Festival war. Aber auch wegen meines deutschen Namens. Meine Eltern stammen ursprünglich aus Haiti. In meiner Familie gibt es aber deutsche Vorfahren. Es ist immer ein bisschen lustig – beim Vorsingen- oder -sprechen stelle ich mich immer so vor: Hallo, ich heiße Steffi Dietz und komme aus Kanada. Da müssen die Leute erstmal lachen und merken: Ja, das ist eben Kanada, eine Mischung verschiedener Kulturen. Vielleicht finde ich ja in Deutschland eine Verbindung zu meinem Ursprung, oder auch nicht. Deutschland hat ja aber auch insgesamt viel zu bieten für Künstler.

Konnten Sie in Dresden zumindest teilweise noch auftreten?

Leider nicht, Konzerte etc. waren ja bis heute nicht möglich. Ich habe meine Bewerbung zur Semperoper und nach Berlin geschickt, aber auch Termine zum Vorsingen gab es wegen Corona nicht.

Was haben Sie stattdessen in dieser Zeit gemacht?

Ich habe in Dresden einen kleinen Job in einem Kosmetikladen am Neumarkt gefunden, als Visagistin und Make-Up-Artist. Das ist zwar etwas ganz anderes, aber ich finde das ganz interessant, weil es etwas mit Schminken zu tun hat. Denn ich hatte oft Probleme, jemanden zu finden, der mich vor meinen Auftritten schminkt, daher passt der Job ganz gut. Denn so kann ich es in Zukunft auch selbst machen.

Haben Sie in der ganzen Zeit trotzdem weiter gesungen?

Ich singe zu Hause, ja, aber natürlich ist es zurzeit schwierig, sich zu motivieren. Ich habe dann angefangen, meinen Horizont zu erweitern und mich beruflich breiter aufzustellen, mich nicht mehr nur als Opernsängerin mit Oper, klassischer Musik und Kirchenmusik zu beschäftigen. Sondern zum Beispiel auch mit Popmusik, Jazz und auch mit Schauspielerei, was ich sehr gerne mache. Jetzt sehe mich vor allem als Sängerin für verschiedene Genres.

Was singen Sie denn am liebsten?

Ich mag französische Barockmusik, die in Deutschland nicht so oft gespielt wird. Aber auch die Musik der Romantik, außerdem Bach, auch Mozart, Rameau und Strauss. Ich habe nicht wirklich einen Lieblingskomponisten. Aber ich gehe gerne in die Bibliothek und stöbere dort nach alten Noten und Partituren, von teil auch unbekannteren Komponisten, die ich einfach zum Spaß lerne. Und vielleicht finde ich sogar eine Aufnahme dazu, was nicht immer einfach ist.

Wie sehen Sie die Corona-Zeit in Bezug auf Ihren Beruf als Opernsängerin?

Es war ein sehr interessantes und auch kreatives Jahr für mich, vor allem im Hinblick auf die Frage: Was kann ich zur dieser Welt, so wie sie jetzt ist, als Künstlerin beitragen. So eine Zeit gab es ja so noch nie, es ist etwas wirklich Neues. Und wir machen die ersten Schritte darin.

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Kulturgesichter Dresden

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