"Nach Dresden bin ich der Liebe wegen gekommen"

Die Modedesignerin Helena Marx ist eines der „Kulturgesichter“ Dresdens. Für die deutschlandweite Initiative zugunsten Kulturschaffender kann man jetzt spenden.

Von Tom Vörös
Helena Marx organisiert die „Kulturgesichter“ zum Teil mit.
Helena Marx organisiert die „Kulturgesichter“ zum Teil mit. © Daniel Scholz / PR

Helena Marx betreibt ein eigenes Modelabel in Dresden. Ihre Kollektionen überzeugen durch Stilsicherheit und der Verarbeitung edler Materialien. Mit Corona kam die Flaute. Doch die aus Trier stammende Kreative erzählt im Interview von neuen Ideen in der Krise, ihrer ungebrochenen Leidenschaft zum Beruf, ihrer Wahlheimat und wie sie Eingebungen für neue Kleidung bekommt.

Ihre Ideen skizziert Helena Marx auf Papier und setzt sie dann direkt um.
Ihre Ideen skizziert Helena Marx auf Papier und setzt sie dann direkt um. © privat

Frau Marx, wie sind Sie auf die „Kulturgesichter“-Aktion aufmerksam geworden? Und was halten Sie davon?

Ich habe die Aktion vorher in anderen Städten wie Hamburg oder Stuttgart in den sozialen Netzwerken verfolgt und für gut empfunden. Ende 2020 bekam ich über Facebook die Einladung für die Dresdner Gruppe. Da wollte ich mich aktiv einbringen, das war mir sehr wichtig. Denn ich bin der Meinung, dass viele nicht wissen wie viele Berufsgruppen hinter den „Kulturgesichtern“ stehen, wie vielfältig diese Jobs in der Kulturbranche eigentlich sind und wie prekär die Lage für viele ist. Ich habe dann bei den Fotoshootings im Alten Schlachthof die Registrierung und die Anmeldung der Teilnehmenden übernommen, kurz erklärt wie das Shooting abläuft und stand bei Fragen oder Unklarheiten zur Verfügung. Ich war oder bin auch jetzt noch direkt Teil der Aktion.

Wie stark sind Sie und Ihre Arbeit von Corona betroffen?

Zu Beginn der Pandemie wollten viele Kunden ihre Aufträge gerne verschieben, so circa vier bis sechs Wochen. Aber nach dieser Zeit hatte sich nichts an der Gesamtsituation geändert. Also sind viele Kunden abgesprungen. Die Leute brauchen zurzeit nicht viel. Es gibt keine Hochzeiten, keine Bälle, keine Feiern. Viele haben sich bequem eingekleidet, der Luxusbereich ist da gerade nicht so gefragt. Auch für die Bühnen gibt es kaum Nachfrage, etwa für Kostüme – die Künstler können ja nicht auftreten.
Dann bin ich auch Dozentin in Leipzig, oder vielmehr, ich war es. Zuletzt habe ich noch Online-Unterricht gegeben. Mein Vertrag wurde dann aber wegen Corona nicht verlängert. Ob ich dort irgendwann wieder starten kann steht zurzeit in den Sternen.

Leidet oder profitiert Ihre Kreativität davon?

Bei meinen eigenen Sachen ist es so: Zunächst brauche ich die Materialien, die Stoffe. Da habe ich mich aber in letzter Zeit auch eher zurückgehalten. Ich muss mich ja selber ein bisschen umorientieren. Über die Kulturstiftung habe ich ein #Denkzeit - Stipendium beantragt, um einen Workshop zu entwickeln zum Thema „Kreatives Denken“. Was mich dabei besonders reizt, ist Menschen an die Kreativität heranzuführen. Leuten zu helfen, die mit kreativen Prozessen vielleicht noch nie zu tun hatten, das ist ein großes Anliegen von mir, so können wunderbare und schöne Dinge entstehen.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Ich entwickele gerade meine eigene, neue Kollektion, die ich aber entsprechend der neuen Umstände gestalte. Viele Leute haben sich ja daran gewöhnt, bequeme Bekleidung wie z.B. Jogginganzüge zu tragen. Da bin ich gerade dabei, eine neue Kollektion mit hochwertigem, dehnbarem und weichem Leder, zu gestalten. Ich möchte aber keinen Jogginganzug entwerfen, sondern mehrere Outfits entwickeln, die man als außergewöhnlich wie auch als bequem betrachtet und gerne anzieht. Zusätzlich werde ich Accessoires wie kleine Ledertaschen, ungewöhnliche Schals … entwickeln, da diese Teile keine Anprobe benötigen und durch „Click und Collect“ geordert werden können.

Was lieben Sie besonders an Ihrem Beruf?

Ich liebe es, meine Kunden einzukleiden, mit einem Anspruch an gutes Design und wunderschönes Material. Das Schöne für mich dabei ist, dass ich alles selber machen kann, von der Idee bis zur fertigen Umsetzung, von der Gestaltung bis hin zum Dreidimensionalen. Das bedeutet für mich die Leidenschaft zum Beruf. Es soll Bekleidung sein, die nicht nur den Körper umhüllt, sondern auch einen gewissen Lebensstil ausstrahlt.

Entwerfen Sie Ihre Kreationen am Computer?

Nein, dafür bin ich als „One Man Show“, in diesem Falle „One Women“, zu klein. Ich mache das komplett zeichnerisch, da ich ein sehr gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen habe. Ich skizziere mir Ideen auf Papier und setze das dann direkt um. Über mein Design-Studium habe ich mir diese Vorgehensweise über die Jahre aneignen und perfektionieren können.

Haben Sie manchmal so etwas wie eine Eingebung? Oder träumen Sie gar von neuen Kleidungsstücken?

Ja, auf jeden Fall. Die Ideen kommen nicht einfach so, wenn ich im Atelier sitze, sondern auch wenn ich zu Hause bin. Ich habe dann immer irgendwo einen Block und einen Stift griffbereit, sodass ich mir schnell etwas aufschreiben oder skizzieren kann. Ideen kommen vielleicht beim Kaffee am Morgen. Oder wenn ich auf der Straße etwas sehe und als schön empfinde, dann lasse ich mich gerne mal inspirieren.

Sie sind in Trier geboren, waren in Köln und München. Wann hat es Sie letztlich nach Dresden verschlagen und warum? Kann man in Dresden gut diesem Beruf nachgehen?

Mir war es wichtig, von der Pieke auf zu lernen, was diesen Beruf ausmacht, daher die Lehre vor dem Studium. Danach in Berlin zu studieren, das war für mich immer klar. Zwischendurch war ich ein Jahr in England. In Berlin habe ich dann ein Angebot bekommen, mich in Dresden selbstständig zu machen auf einem alten Fabrikgelände. Nach Dresden bin ich 1999 auch der Liebe wegen gekommen. Die Liebe war dann ganz schnell weg, da musste ich mir überlegen, ob ich zurück nach Berlin oder ins Ausland gehe oder ob ich in Dresden bleibe. Nach zwei Monaten Zwischenstation im Senegal in Afrika, wo ich Kostüme für eine Theaterproduktion entwarf, war für mich klar: Ich bleibe in Dresden. Ich wollte schauen, ob ich mich mit der Stadt anfreunden kann, ob meine Arbeit hier funktioniert. Inzwischen liebe ich die Stadt. Auch in Dresden kann man gutes Design machen. Es war also die richtige Entscheidung.

Auf welche Weise haben Sie sich hier einen Namen gemacht?

Mein Markenzeichen sind vor allen puristische Schnitte, eine klare Linienführung und originelle Details. Hochwertige Stoffe und feinste Leder werden ungewöhnlich kombiniert und sind immer Bestandteile meiner Kollektionen. Wichtig ist mir nicht der kurzfristige Modetrend sondern Langlebigkeit. Ein wesentliches Prinzip der Gestaltung ist die Möglichkeit neue Modelle mit den vorherigen Kollektionen kombinieren zu können.
Modenschauen in Dresden sind ja sehr rar geworden, als Ausgleich organisiere ich gerne aufwendige Fotoshootings um dadurch meine Mode präsentieren zu können.
Durch meine Erfahrungen hinter der Bühne werde ich auch gerne für Backstage-Betreuung und als Inspizientin gebucht. Ich sorge u.a. dafür, dass die Leute hinter der Bühne da sind wenn sie gebraucht werden. Ich strahle wohl eine gewisse Ruhe aus, so dass die Künstler sich bei mir sicher und aufgehoben fühlen.

www.helenamarx.de

Hier geht's zur Spendenaktion:

www.startnext.com/kulturgesichter-dresden

Kulturgesichter Dresden

www.kulturgesichterdresden.de

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