„Die Illusion entsteht erst durch das Miteinander“

Zauberer wie Torsten Pahl können zwar das Virus nicht verschwinden lassen. Doch gemeinsam mit seinen Magier-Kollegen greift er derzeit eifrig in die Trickkiste, um die Illusion des Live-Betriebs im Internet zu erzeugen.

Von Tom Vörös
Torsten Pahl nutzte die freie Zeit, um seinem Publikum neue Nummern zu präsentieren.
Torsten Pahl nutzte die freie Zeit, um seinem Publikum neue Nummern zu präsentieren. © PR / Steffen Füssel

Torsten Pahl ist Zauberkünstler aus Leidenschaft. Sein Markenzeichen: Verblüffende Effekte mit viel Humor und Schauspielkunst. In normaleren Zeiten bietet er Solo- und Ensemble-Shows sowie Programme für Kinder. In der beliebten Close Up Night zaubert er mit seinen Kollegen André Kursch und Matthieu Anatrella dem Publikum regelmäßig ein Staunen ins Gesicht. Im Interview berichtet er von harten Zeiten, vom gestiegenen Arbeitspensum und warum die Zauberei viel mehr ist als eine One-Man-Show.

Die interaktiven Zaubershows kann man zu Hause genießen.
Die interaktiven Zaubershows kann man zu Hause genießen. © PR / Steffen Füssel / Grafik: Torsten Pahl

Herr Pahl, was hat das Virus mit Ihrem Berufsleben angestellt?

Noch bis März 2020 haben wir unsere Tischtheater-Shows der Close Up Night gespielt. In der Theaterspielzeit, zwischen September und Juni, spielen wir normalerweise um die 100 Shows. Die meisten davon wurden abgesagt. Ab 15. Mai durften wir wieder öffnen, was natürlich unrealistisch war. Man kann ein Theater ja nicht innerhalb von drei Tagen hochfahren, Shows bewerben und Tickets verkaufen. Wir haben dann im Juni und Juli gespielt, aber nicht am Tisch, weil wir das nicht durften. Stattdessen haben wir den größten Raum des Feldschlösschen-Stammhauses mit 230 Quadratmetern gemietet und unsere neue Salon-Show „Mit Abstand verblüfft“ gespielt - mit 2,5 Meter Abstand zur 1. Reihe. Nach der Sommerpause haben wir nochmal im September und Oktober spielen dürfen, seitdem ist ja alles zu.

Was haben die Leute in dieser ganzen Zeit verpasst?

Mit unseren Tischtheater-Shows sind wir einzigartig in Deutschland. Denn normalerweise sitzen zehn Zuschauer und zwei Vorführende an einem runden Tisch. Dann gibt es noch eine zweite Reihe, sodass wir insgesamt 30 Plätze haben. Als Zuschauer ist man quasi immer mittendrin im Geschehen. Man kann dem einen Zauberer direkt über die Schulter schauen, den anderen sieht man von vorne. Und zugleich sieht man die Leute, die dem anderen Zauberer über die Schulter schauen. Diese Intimität und Atmosphäre ist etwas ganz besonderes. Man sieht die Zauberei mit anderen Augen und das macht etwas mit einem. 

Wie haben Sie die freie Zeit genutzt?

Die Zeit der Schließung haben wir dazu genutzt um an neuen Nummern zu arbeiten, sodass wir, sobald es wieder möglich ist, noch eine zweite Show in diesem größeren Rahmen anbieten können. Inzwischen konnten wir auch im großen Raum die fehlende Intimität zwischen Künstler und Publikum durch unser komödiantisches Miteinander ausgleichen. 

Wo nimmt man die Motivation zurzeit für all das her?

Ja, das alles kostet eine Menge Kraft, weil man ja die Nummern ohne Perspektive auf eine Live-Darbietung probt. Man weiß zwar, dass man sie vermutlich spielen wird, aber ganz sicher weiß man es eben nicht. Und neue Nummern kosten auch Geld, man investiert also trotzdem immer weiter. 

Wo genau muss man investieren?

Vor allem in neue Requisiten, aber auch in neue Technik wie mobile Luftfilteranlagen für die Hygienekonzepte. Aber die Requisiten stehen im Mittelpunkt. Man möchte ja einen Effekt erzielen und braucht dafür neue Gegenstände, die für diesen Zweck präpariert sein müssen. Oder sie müssen besonders groß sein. Dafür baut man dann bestimmte Requisiten für die jeweiligen Bühnenbedingungen noch einmal neu. Selbst relativ einfache Dinge – zum Beispiel eine Karte die mit besonderen Motiven bedruckt ist, aber die ich zehn Nummern größer brauche, das ist alles mit viel Aufwand verbunden – angefangen von der Grafik über den Druck, die Stabilität usw. Man kann sagen: Je größer die Nummer desto teurer wird es. Wir führen auch Klein-Illusionen für einen größeren Zuschauerkreis vor. 

Wie passt das mit aktuellen Situation zusammen?

Zurzeit ist keine Öffnung absehbar, aber wir leben von der Zauberkunst und müssen Geld verdienen, um das mal klar zu sagen. Seit März letzten Jahres verdienen wir sehr wenig Geld, und das nur in dem Zeitraum, in dem wir überhaupt spielen durften. Zurzeit haben wir locker 600 Tickets aus dem Vorverkauf für Shows, die wir erst einmal abspielen müssen, mit neuen Terminen und anderen Shows. Die Leute wissen aber, dass wir gute Sachen machen und können sich darauf verlassen, dass jeder Abend bei uns ein guter Abend wird. Um das alles auszugleichen, haben wir uns für die Shows im Internet entschieden. Da sind wir gerade sehr aktiv. Wir arbeiten zurzeit deutlich mehr, als wir es normalerweise tun. Mit dem Unterschied, dass der letzte Schritt, das Auftreten und dadurch auch das Geldverdienen, fehlt.

Wie haben Sie die Shows fürs Internet adaptiert?

Für unsere Close Up Night im Internet gibt es eine Videokonferenz über die Plattform Zoom. 12 bis 15 Computer bzw. TeilnehmerInnen sind zugelassen, weil wir ja mit dem Publikum interagieren möchten. Das tun wir ja sonst auch hautnah bei unseren Bühnenshows. Das ist ganz sicher nichts zum reich werden. Aber die Zauberkunst lebt nun mal von der Interaktion. Künstler und Publikum möchten herausgefordert sein, sich beteiligen, damit das, was am Ende entsteht noch viel unmöglicher erscheint. Die Illusion entsteht immer erst durch das Miteinander und dieses Erlebnis wollen wir auch in das neue Medium tragen. Bei 12 bis 15 Leuten kann man jemanden konkret ansprechen, bei 100 Teilnehmern geht das nicht. Die kleinen Wunder passieren teilweise in den Händen der Zuschauer zu Hause – man darf gespannt sein. 

Das heißt, das Publikum wird auch von Zuhause aus Teil der Show?

Ja, sie können gewisse Dinge mitentscheiden und den Ablauf der Show beeinflussen. Alles natürlich auf freiwilliger Basis. Aber genau das macht ja den Reiz aus. Wenn man einen Livestream schaut, dann schaut man eben nur und es berührt einen vielleicht. Wenn man aber Teil einer Show wird, dann hat man am Ende ein ganz anderes Live-Erlebnis.

Bereitet diese neue Art des Zauberns Ihnen selbst noch Spaß?

Ja, weil das in erster Linie unsere Berufung ist, Zauberkünste vor einem Publikum vorführen. Ich kann mir selber ja nicht einen Trick vorm Spiegel zeigen und dann staunen, weil ich ja weiß was man machen muss, damit die Illusion entsteht. Das Staunen ist das, was unsere Kunstform letztlich ausmacht. Über das Internet gibt zwar kurze Verzögerungen und manches dauert etwas länger, das ist aber dem Medium geschuldet. Man muss ganz anders mit Licht und Raum und der Kamera arbeiten. Auch der Spielrhythmus ändert sich. In der Liveshow hört und sieht man das Atmen, das Schmunzeln, das Lachen, über eine Videositzung aber nicht. Auch nicht den Applaus, da ja alle ihre Mikrofone aus haben, wegen der Übersteuerung. Dann sehe ich nur, dass die Leute lachen oder klatschen. 

Kommt das Corona-Thema in Ihren Shows vor?

Ich glaube, dass die Leute seit einem Jahr mit dem Thema so zugeballert werden, dass man das künstlerisch nicht auch noch bedienen muss. Kultur soll ja die Leute entspannen, zum Denken anregen, im besten Fall inspirieren. Aber man muss nicht unbedingt Dinge vertiefen, mit denen man in den Nachrichten rund um die Uhr beschallt wird. In anderen Kunstformen kann man sich sicherlich kritisch mit diesen Sachen auseinandersetzen, aber nicht in der Zauberkunst, die lebt vom Staunen. Ein Schauspieler kann Gefühle und Gedanken anregen. Ein Zauberer ist ja auch so eine Art Schauspieler und spielt einen Magier. Und ein Magier tut Dinge, von denen man weiß dass sie nicht möglich sind. Und das bringt uns zum Staunen. Trotzdem verpacken wir unsere Nummern in Themen und Geschichten, mit denen die Leute etwas anfangen können. 

Haben Sie schon über Open-Air-Shows nachgedacht?

So etwas haben wir noch nicht gemacht. Solche Überlegungen hängen auch von Feldschlösschen Stammhaus ab sowie von zahlreichen Faktoren, die wir gar nicht in der Hand haben. Wir setzen weiterhin auf Indoor-Shows. Vor Corona hatten wir eine Auslastung von 90 Prozent. Wann das wieder so sein wird, kann niemand sagen. Wir sehen das Ganze aber positiv und versuchen das Beste daraus zu machen bis wir endlich wieder live spielen können. 

Die Termine der Online-Shows der Close Up Night, "Es hat ZOOM gemacht", am 19., 20. Februar sind ausverkauft. Für die nächsten Termine am 18. & 19. März gibt es noch Karten.

Für Torsten Pahls Solo-Show "Virtuell vernetzt" gibt es noch Karten für den 26. & 27. Februar sowie für den 5. & 6. März.

Alle Shows starten um 19 Uhr und dauern 45 Minuten. Einlass ist jeweils 15 bis 5 Minuten vor Showbeginn.
Tickets gibt es für 25 Euro pro Computer / Wohnzimmer (nicht pro Person). Über die ZOOM-Videoplattform erhält man Zugang zur Show.

Alle Online-Termine sowie Ticketbuchungen per E-Mail unter [email protected] oder per Telefon unter 0351 41 88 97 36 (Anrufbeantworter) oder im Ticket-Shop über:

www.close-up-night.de
www.torstenpahl.de

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Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

Damals sprachen wir mit noch vielen weiteren Veranstaltern und Künstlern. Hier die komplette Reihe:

Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise