Besuch bei... Thomas Schuch vom Dresdner Friedrichstatt Palast

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

Thomas Schuch muss mit dem Dresdner Friedrichstatt Palast durch den zweiten Lockdown.
Thomas Schuch muss mit dem Dresdner Friedrichstatt Palast durch den zweiten Lockdown. © PR/Friedrichstatt Palast

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Am 6. November 2020: Thomas Schuch vom Dresdner Friedrichstatt Palast.

Der Friedrichstatt Palast lädt mitten in Dresden zum Kabarett ein - normalerweise.
Der Friedrichstatt Palast lädt mitten in Dresden zum Kabarett ein - normalerweise. © PR/Friedrichstatt Palast

Gehe ich zu weit, wenn ich sage, nichts ist wie beim ersten Lockdown im Frühjahr?
Nein, gehen Sie nicht. Die Zeit ist eine andere. Wir wurden jetzt mitten in der Hochsaison ausgeknipst. Außerdem ist Herbst, bald Winter. Da sind auch keine Möglichkeiten, Auftritte nach draußen zu verlagern. Die Frage ist also: Wo ist der Ort, wo ich den Leuten etwas bieten kann? Etwas, das die Leute auch sehen wollen, wofür sie bereit sind auch Geld auszugeben.

Im Frühjahr haben Sie unter anderem ein Online-Angebot gestartet…
Wir haben auf unserem Youtube-Kanal kleine Filme gezeigt, einer wurde sogar preisgekrönt. Wir haben es auch mit Stummfilm-Anmutung versucht, also in schwarz-weiß, haben aktuell Corona zum Thema gemacht – mussten aber feststellen, dass wir damit nicht sehr viele erreichen, geschweige denn, dass dafür jemand bezahlt. Finanzielle Hilfe gab es eher durch Spenden und Leute, die ehrenamtlich mitmachen. 

Und jetzt - wird es Neues online geben?
Wir überlegen und diskutieren, wie wo was zu präsentieren ist. Was brauchen die Leute, welche Formate bringen was? Das Theater hat eine bestimmte Ästhetik, die sich mit dem Abfilmen eines Stücks nicht wiedergeben lässt. Für die Umsetzung müssen Profis ran, beim Aufnehmen, aber vor allem beim Schnitt.

Akzeptieren Sie die Schließung?
Man kann trefflich streiten mit den Zweiflern. Und es gibt Länder, die anders mit Corona umgehen. Aber sicher ist: Es sind Maßnahmen nötig, wenn man anerkennt, dass wir ein Problem mit dem Virus haben. 

Werden die Vorstellungen aus dem November nachgeholt?
Nein, wir können nicht zweimal am Abend spielen. Der Spielplan bleibt und wird wieder aufgenommen, sobald es möglich ist. Damit fallen 21 Vorstellungen aus, nur die Gastspiele werden verschoben. 

Hilft Ihnen die versprochene Überweisung von 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019?
Ja, na klar. Aber es sind eben 75 Prozent. Wir erwirtschaften normalerweise in diesen Monaten das Geld, mit dem wir im nächsten halben Jahr über die Runden kommen. Das heißt, wir müssen überlegen, wie wir die Zeit bis zum Sommer überstehen.

Gibt´s dafür Ideen?
Wir müssen unser Repertoire erweitern und mit unseren Produktionen auf Gastspiel gehen.

Um das Publikum machen Sie sich keine Sorgen?
Doch. Kultur ist ein Lebenselexier, hört man immer wieder. Aber ist der Live-Konsum darstellender Kunst noch nötig, jetzt, wo man zum zweiten Mal merkt, dass es auch ohne irgendwie geht? Dazu kommt das ganz faktische Problem, dass sämtliche Buchungen größerer Gruppen – zum Beispiel Firmen, die den Kabarettbesuch als Weihnachtsfeier geplant hatten – dieses Jahr wegfallen. Diese Zuschauer fehlen also auf jeden Fall.

Vor acht Monaten habe ich gefragt, wie Sie die unverhoffte freie Zeit nutzen. Ist auch das jetzt anders?
Wir stecken in den Proben für unser Weihnachtsprojekt, der bürokratische Aufwand für Fördermittel und Kurzarbeit bleibt hoch. Und wir üben uns in „Selbst-Motivation“. „Die Motivation und Ich, wir leben gerade getrennt“, habe ich jetzt gerade gelesen. Auch das ist anders als im Frühjahr. Damals gab es die Hoffnung auf den Sommer und dass danach alles irgendwie wieder gut ist. 

Was macht Ihnen jetzt Hoffnung?
Dass wir uns die richtigen Gedanken machen, wenn wir darüber diskutieren, was Menschen wirklich brauchen von uns. Also, dass sie das, was wir ihnen anbieten, dann auch nutzen. Unser Grundgedanke: Wir wollen Menschen verbinden, Denkansätze liefern zum Harmonisieren mit Hilfe von Gesellschaftssatire. Es ist schon etwas befremdlich, was in der Kulturszene Dresdens an gegenseitigem Beschuss zum Beispiel jetzt zu den Jazztagen stattfand. 

Nach viel Hoffnung hört sich das jetzt nicht an… 
Nach dem ersten Lockdown haben wir auch neues Publikum gewonnen. Es gibt einen neuen Freundeskreis, das Publikum wird jünger und gemischter.

Wir gehen mal davon aus, im Dezember darf wieder gespielt werden - worauf kann sich das Publikum freuen?
Unser Weihnachtsprojekt heißt „Sind die Wichtel angezündet“ – sprich wirklich begeistert von ihrem Job. Es ist die fröhliche, freche und auch etwas frivole Suche nach dem Wesen von Weihnachten, dem Fest der Liebe. Die Protagonistin begibt sich dafür auf eine Welt- und Zeitreise. Und wir spielen „Kathrinchen Zimtstern“, unser Musical für Kinder, in einer coronagerechten Fassung.

Gespräch: Frank Treue

Alle aktuellen Interviews dieser Reihe finden Sie hier:

Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

Vor acht Monaten im ersten Lockdown sprachen wir schon einmal mit Thomas Schuch. Hier das damalige Interview:

Anruf bei... Thomas Schuch am 21. März 2020

Damals sprachen wir mit noch vielen weiteren Veranstaltern und Künstlern. Hier die komplette Reihe:

Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise