Besuch bei... Steffen Wilde vom Dresdner Jazzclub Tonne

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

Von Tom Vörös
Steffen Wilde ist künstlerischer Leiter in der Tonne, im wohl kultigsten Jazzclub Dresdens.
Steffen Wilde ist künstlerischer Leiter in der Tonne, im wohl kultigsten Jazzclub Dresdens. © Peter R. Fischer / PR

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Anfang Dezember 2020: Steffen Wilde vom Dresdner Jazzclub Tonne.

Gut besuchte Livekonzerte im Keller des Kurländer Palais - die Tonne vor dem Lockdown.
Gut besuchte Livekonzerte im Keller des Kurländer Palais - die Tonne vor dem Lockdown. © Katja Springer / PR

Herr Wilde, wie gut oder schlecht kommen Sie persönlich mit der Kontaktbeschränkung klar?
Zunehmend schlechter. Was ja aber wohl für jede und jeden zutreffen dürfte. Aber mit der Aussicht, dass es zeitlich begrenzt ist, ist auch dies erträglich.

Finden Sie die Maßnahmen gerechtfertigt?  
Im Großen und Ganzen ja. Allerdings wird es mit jeder neuen Verordnung schwieriger. Es sind einfach zu viele Beschränkungen dabei, deren Sinnhaftigkeit sich nicht oder nicht mehr erschließt. Eine wirkliche Strategie ist immer weniger zu erkennen und vieles erscheint dadurch lediglich aktionistisch. Und leider wird immer deutlicher, dass einfach Dinge verpasst worden sind, die schon längst hätten getan werden müssen und können (nur ein Beispiel neben so einigen anderen: die Schulen auf den schwierigen Herbst/Winter entsprechend vorzubereiten). Dinge wie Maske-Tragen oder Kontaktbeschränkungen sind dagegen nichts, was ich infrage stelle, sondern wichtig finde, weil sie sinnvoll sind.
 
Gibt es Corona-Fälle in Ihrem näheren Umfeld?
Ja, aber zum Glück aktuell keine schweren Erkrankungen. Jedoch gab es bereits im Frühjahr Todesfälle und weitere schwere Fälle in meinem nahen Bekanntenkreis. Genau deshalb stehe ich auch nach wie vor größtenteils hinter den Maßnahmen.

Gibt es Unterstützung der Tonne-Fans? In welcher Form?
Ja, sehr viel. Angefangen von Fragen nach dem Befinden, aufmunternden und anspornenden Durchhaltewünschen über Hilfsangebote bis hin zu Spenden. Die vielen, vielen Lobesworte, die wir während der Zeit erhielten, als wir Konzerte mit unserem Hygienekonzept durchführen konnten, haben uns unglaublich bestärkt und aufgebaut. Auch jetzt wird regelmäßig nachgefragt, ob es uns noch einigermaßen gut geht und ob und wie geholfen werden kann.

Glauben Sie durch den Impfstoff an ein Sommermärchen 2021?
Nein. Bevor ein Impfstoff – wann immer er tatsächlich da sein wird – eine größere Wirkung entfalten kann, wird der Sommer vorbei sein. Eher wird wohl die Welle aus den gleichen Gründen wie 2020 abflachen – wegen allgemein schlechterer „Bedingungen“ für das Virus. Ehe sich Märchenhaftes entfalten kann, werden wir alle ganz sicher eine gute Weile zu tun haben, zunächst einmal wieder eine Art von Normalität herzustellen.

Was macht Ihnen Hoffnung im Moment? 
Die Überzeugung, dass auch wieder bessere Zeiten kommen werden. Wie schon gesagt, es sind zeitlich begrenzte Einschränkungen, die wir jetzt ertragen müssen, aber als optimistischer Mensch schaue ich in die Zukunft, in der nach und nach wieder eine (hoffentlich dann bewusst andere) Normalität einkehrt und wir wieder die wichtigen und schönen Seiten des Lebens wie Ausgehen, Freunde treffen und Kultur erleben genießen können.

Wie verbringen Sie Ihr Weihnachtsfest?
Vor allem: entspannt und gemütlich. Den übergroßen Rummel und die Einkaufsorgien, die mit dem Weihnachtsfest einhergehen, konnte ich noch nie leiden.

Wie gehen Sie kreativ mit der Pandemie um – inszenieren oder ignorieren? Gibt es konkreten Output dazu?
Ignorieren geht ja gar nicht. Also natürlich inszenieren. Wenn man derzeit wenig aus der Tonne hört, liegt das daran, dass wir ein Live-Klub sind und sein wollen. Da gibt es aktuell eben nichts anzukündigen. Was aber nicht bedeutet, dass wir nicht intensiv an der Vorbereitung neuer Ereignisse arbeiten.
 
Mit welchen Überraschungen dürfen Fans in der nächsten Zeit noch rechnen?
Mit einer ziemlich anders aussehenden Tonne, wenn sie denn wieder geöffnet hat. Da wartet sicherlich auf alle die größte Überraschung. Außerdem wird es vom 18. bis 21. Februar das 1. MusiSHEans Festival in der Tonne geben – ein Festival mit je drei Projekten pro Abend, in dessen Fokus Musikerinnen stehen. Geplant ist, das Festival (u.a. mit KID BE KID, Stephanie Jones, Karl die Große u.v.a.) live stattfinden zu lassen und es zusätzlich zu streamen. Ob die Präsenzveranstaltung stattfinden darf, wird sich zeigen, gestreamt wird auf jeden Fall. In Vorbereitung des Festivals wird am 22. Januar die Gitarristin/Sängerin Jule Malischke ein gestreamtes Konzert geben. Auch das darf von uns aus gern auch mit Publikum stattfinden. Was die kommenden Verordnungen dazu sagen, wird sich zeigen. Unser Hygienekonzept hat sich jedenfalls bereits bewährt und fand bei unseren Besuchern (und auch bei anwesenden Vertretern des Infektionsschutzes) großes Lob und Anklang. Auch wenn wir als Live-Klub das Konzept der Streaming-Konzerte nicht ausweiten wollen, freuen wir uns jetzt besonders im Sinne der dann auftretenden Musiker*innen sehr auf diese Konzerte.

Was erhoffen Sie sich von 2021?
Ich hoffe, dass es möglichst schnell gelingt, wirksam die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Damit verbunden hoffe ich, dass sich im Gegenzug Vernunft, Einsicht und Weitsicht ausbreiten. Persönlich hoffe ich, dass niemand meiner Verwandten, Freunde und Bekannten betroffen wird. Für die Tonne hoffe ich, dass wir bald wieder veranstalten dürfen. Als Konzertveranstalter nicht das tun zu können, wozu man da ist, zehrt am allermeisten an der Psyche. Hiermit wenigstens wieder klein beginnen zu dürfen, wäre unwahrscheinlich schön.

Wie haben Sie die frei gewordene Zeit genutzt?
Wir haben dank großzügiger Unterstützung der Stadt Dresden, der sächsischen Kulturstiftung und der Neustart-Programme des Bundes umfangreiche Umbauarbeiten in der Tonne durchführen können bzw. sind wir noch dabei. Danken möchte ich dafür auch den Tonne-Freunden und Besuchern, die ebenfalls mit dazu beitrugen. Da es (siehe oben) eine Überraschung sein soll, kann ich hier noch nicht mehr verraten. Nur so viel: Wir sind mit der Wiedereröffnung noch besser für die veränderte Situation gerüstet, aber es ist auch eine Augenweide. Wir sind jedenfalls schon sehr aufgeregt und gespannt, was das Publikum sagen wird. Ich hoffe, wir dürfen bald zeigen, was da Tolles entstanden ist.

Haben Sie schon Pläne für den Corona-Winter?
Ab Januar sind wir mit der Tonne startbereit. Ob wir diese Pläne nochmals umstellen müssen, liegt leider nicht in unserer Hand. Aber wenn wir veranstalten dürfen, kann ich spannende Konzerte in einem tollen Klub versprechen.

Gespräch: Tom Vörös

www.jazzclubtonne.de

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