Besuch bei... Carsten Becker vom Dresdner Club Beatpol

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

Von Tom Vörös
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Carsten Becker vom Dresdner Beatpol zeigt, was ihn und den Club nach wie vor bewegt. © PR/beatpol

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Ende November 2020: Carsten Becker vom Dresdner Club Beatpol.

Mit welchen Überraschungen dürfen Fans in der Vorweihnachtszeit noch rechnen?
Der Erkenntnisgewinn aus dem bisherigen Pandemieverlauf lässt uns vor allem realistisch bleiben. Das Jahr 2020 ist (nicht nur) für uns als Beatpol gegessen. Beziehungsweise, wie wir es so (un)schön auf unserer Homepage verkünden mussten: "Das Aussetzen aller unserer Veranstaltungen bleibt nach wie vor bestehen."
 
Was macht Ihnen überhaupt noch Hoffnung im Moment?
Die Fragestellung suggeriert eine, zumindest latent vorhandene, Hoffnungslosigkeit unsererseits. Das ist nicht der Fall.
Zum Einen akzeptieren wir die gegenwärtige Situation als eine irgendwann auch wieder vorübergehende, für welche es keinen auszumachenden Schuldigen gibt. Und schon gar nicht liegt es in unserer eigenen Macht, daran etwas zu ändern.
Zum Zweiten gibt es von unserer Seite nach wie vor keine tatsächliche wirtschaftliche Not zu vermelden. Wir waren und sind pekuniär gut aufgestellt. Nicht zuletzt auch, weil ein Teil unserer weiterlaufenden Kosten durch die auch in Corona-Zeiten gewährte institutionelle Förderung durch das hiesige Kulturamt abgedeckt ist, zudem einige der derzeitigen Überbrückungs- und Nothilfe-Programme recht gut für uns funktionieren.
 
Was erhoffen Sie sich von 2021?
Ein hoffentlich bald schon absehbares Ende dieser eigenartigen Zeit.
 
Was ist in diesem Lockdown anders als im Frühjahr?
Für uns Kulturschaffende und somit auch für die Musikwirtschaft war, bzw. ist ja bereits seit März ohnehin nur ein teilweises Veranstalten mit sogenanntem Hygienekonzept, bzw. gar keines möglich. Was bedeutet, dass unsereins ohnehin seit Monaten auf Förder-, sowie Überbrückungs- und Nothilfe-Gelder und nicht zuletzt auf die aktuelle Kurzarbeiterregelung angewiesen ist und sich diese zumeist auch schon organisiert hat. Einige andere, im Sommer und Frühherbst wieder einigermaßen im normalen Modus laufende Branchen, u.a. die Gastronomie, den Tourismus, trifft es dagegen erneut mit größerer Wucht. Aber auch für sie, sowie endlich auch für die bislang kaum, bzw. lediglich via Grundsicherung bedachten, zahlreichen Soloselbstständigen in unserem Land läuft ja nun die sogenannte außerordentliche Wirtschaftshilfe (November- und Dezemberhilfe) an.
 
Sind die Maßnahmen gerechtfertigt? Gibt es viel Frust?
Dazu hat ein Jeder sicherlich seine eigene Meinung und darf sie in diesem Land ja auch haben. Speziell uns haben die bereits durchlebten Höhen und Tiefen in nunmehr über 27 Jahren Starclub/Beatpol vor allem eines gelehrt: Für wen die gegenwärtigen Notfallprogramme funktionieren, wer sie konkret in Anspruch nimmt, wer bislang nicht in eine tatsächliche, wirtschaftliche Schieflage abgerutscht ist, der hat im Eigentlichen auch weniger Grund zur Klage. Davon abgesehen wünschen auch wir uns natürlich sehr, dass wieder großartige und unvergessliche Künstler auf unserer Bühne stehen können und unsere Besucher, wir alle, endlich wieder jene Musk uneingeschränkt mitwippend, tanzend, schwitzend, einfach live genießen können, welche wir so lieben.
 
Inwieweit helfen die 75 Prozent Staatshilfe, wenn man sie denn bekommt?
Dazu wurde bereits in den vorangegangenen Antworten einiges gesagt. Nicht zu vergessen zudem auch das aktuell hinzugekommene, bis zum 31. Dezember verlängerte und speziell für Clubs und Spielstätten erweiterte Soforthilfe-Programm durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Welches nochmal eine Art Gürtel zum Hosenträger darstellt, falls andere Förderrichtlinien für den einen oder anderen von uns nicht funktionieren sollten.
 
Wie nutzt der Beatpol die frei gewordene Zeit?
Jedes Schlechte hat bekanntlich auch sein Gutes. Im immer enger getakteten Veranstaltungsbetrieb der letzten Jahre gab es kaum noch terminliche Lücken für die obligatorisch-verschleißbedingten, von Zeit zu Zeit immer mal wieder dringend notwendigen Reparaturen und Neuerungen im Club. Soll heißen: Putz- & Flickstunden sind derzeit angesagt. Und wir finden auch endlich mal wieder etwas Zeit und Muße, um die eine oder andere strukturelle Verbesserung anzudenken, künftige Strategien zu entwickeln und wichtige Kontakte zu vertiefen.
 
Wird es eine Fortsetzung von naturgemäß sehr aufwendigen Streaming-Konzerten geben?
Grundsätzlich haben wir das vor, allerdings muss man dazu auch die pandemiebedingten Entwicklungen und die daraus resultierenden behördlichen Auflagen der kommenden Wochen und Monate abwarten. Aktuell planen wir zumindest schon mal eine weitere Streaming-Show, im Rahmen unserer im Mai mit dem Pianisten FLORIAN CHRISTL gestarteten „! Beatpol-Livestream !“ – Reihe. Am 20. Februar 2021 wird die Dresdner Band GARDA bei uns zu Gast sein.

Wie schätzen Sie die Lage generell für Dresdner Clubs gerade ein?
Auch wir können und möchten naturgemäß eher schlecht für andere sprechen, deren Lage nur bedingt von außen, bzw. gar nicht beurteilen ist. Allerdings: Wenn es einem oder mehreren unserer hiesigen Kollegen tatsächlich schlecht ergehen sollte, würden wir das bestimmt mitbekommen. Das ist momentan jedoch nicht der Fall. Also bleiben wir auch diesbezüglich ungebrochen optimistisch - in guter Hoffnung, dass auch sie sich da schon irgendwie durchhangeln werden.
 
Wie kann, aus momentaner Sicht, die Zukunft des Beatpols aussehen? 
Soweit wir das beurteilen können, wünschen sich die meisten Veranstalter, Agenturen und Bands dass es „nach Corona“ annähernd genauso weitergeht, wie zuvor. Ob aber in jedem einzelnen, subjektiven Falle, auch ein tatsächlicher Glaube daran dahintersteht, kann man durchaus bezweifeln. Wir als Beatpol werden das tun, was wir schon immer getan haben:
Schauen, wie wir auch in sich eventuell verändernden Strukturen unseren Platz finden werden, um unserer eigenen, vor allem künstlerisch-inhaltlich gewichteten Vision Starclub/Beatpol treu bleiben zu können.
 
Und wenn Corona jetzt vorbei wäre - gäbe es dann die Hoffnung auf eine Rückkehr zur "Normalität"?
Wie gesagt: Der Wunsch ist vorhanden. Wobei man auch sagen muss, dass „vor Corona“ genauso wenig alles super war in unserer Branche, wie auch gegenwärtig gewiss nicht gleich alles schlecht für alle von uns läuft. Entscheidend wird sein, in welchen Strukturen sich die Musikwirtschaft, speziell der Konzertbetrieb, sowohl im Einzelnen, als auch im Gesamten, dann wieder einpendeln wird. Denn, machen wir uns nichts vor und ohne es jetzt gleich moralisch, sondern lediglich als bloßen Fakt bewerten zu wollen, weil in der Natur der (marktwirtschaftlichen) Sache selbst liegend: Für einige, ich denke da vor allem an die mittleren und größeren Ticketverkäufer und Künstleragenturen, sowie die rein kommerziellen Veranstalter, wird es künftig noch einen ganzen Tick mehr als ohnehin bereits um das liebe Geld gehen, gehen müssen. Allein schon dieses zu erwartende Bestreben plus ein eventuell rezessionsgeprägtes, will sagen: vielleicht sparsameres Kaufverhalten Musikinteressierter, was Konzerttickets anbetrifft, ergibt schon mal eine spannende Mischung für die nähere, bzw. mittelfristige Zukunft der zweifellos im Gesamten davon abhängigen Konzertbranche.

Gespräch: Tom Vörös

Alle aktuellen Interviews dieser Reihe finden Sie hier:

Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

Vor acht Monaten im ersten Lockdown sprachen wir schon einmal mit Carsten Becker. Hier das damalige Interview:

Anruf bei... Carsten Becker am 3. April 2020

Damals sprachen wir mit noch vielen weiteren Veranstaltern und Künstlern. Hier die komplette Reihe:

Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise