Anruf bei... Carsten Becker vom Dresdner Club Beatpol
Bei Augusto-Sachsen.de geben Veranstalter, Künstler und Gastronomen Auskunft über ihre Sorgen und Hoffnungen, Probleme und Wünsche in Zeiten der Corona-Krise.
Die Corona-Krise trifft Veranstalter, Künstler und Gastronomen besonders hart. Auf augusto-sachsen.de beantworten sie unsere Fragen zu den Auswirkungen, die die derzeitige Lage auf ihren Beruf und ihren Alltag hat. Am Freitag, 3. April 2020: Carsten Becker, Geschäftsführer in der Dresdner Konzertlocation Beatpol, früher Starclub.
Wie geht es Ihnen angesichts des absoluten Veranstaltungsverbots?
In siebenundzwanzig Jahren Starclub/Beatpol entwickelt man schon fast zwangsläufig eine gewisse Resilienz, um auch Situationen wie die gegenwärtige als solide Veranstaltungsadresse zu überleben. Zumindest vorerst. Die mit dem sogenannten Shutdown neu entstandenen "Hausaufgaben" sind gemacht. Auch wir haben hin- und her gerechnet, kommuniziert und beantragt. Zwei, drei Monate werden wir die verordnete Pause überstehen. Überstehen müssen. Vielleicht auch länger, denn bleiben wir realistisch: Das Aufheben des Veranstaltungsverbotes ist wohl eher in der letzten Phase einer künftigen Lockerung der bestehenden Corona-Maßnahmen zu erwarten. Nun heißt es also abwarten, wie lange die momentanen Beschränkungen des öffentlichen Lebens und das damit verbundene Aussetzen unserer Konzertveranstaltungen andauern und mit welchen, daraus folgenden Auswirkungen wir in der Zeit danach zu rechnen haben. Größere Sorgen machen wir uns, Stand heute, allerdings um die zahlreichen Freelancer, Freiberufler und Soloselbstständigen, welche Teil unseres Systems Beatpol, der gesamten Veranstaltungsszene sind. Und nun als Einzelkämpfer weitaus tiefer in den Seilen hängen.
Was werden Sie heute tun?
Im Prinzip das Gleiche wie immer: Kommende Shows planen und den Laden zusammenhalten. Hinzu kommen die nahezu täglichen Absagen bzw. Verlegungen bereits geplanter Konzerte, welche es momentan zu bearbeiten gilt. Sowie nun auch jene neu generierten Aufgaben, welche notwendigerweise für den weiteren Erhalt unseres Clubs erledigt werden müssen. Zudem beginnen wir praktischerweise bereits jetzt mit der Planung für das Polimagie Festival 2021. Alles in Allem sind unsere derzeitigen Arbeitstage jedoch bei Weitem nicht so straff getaktet wie sonst.
Und was hätten Sie heute normalerweise getan?
Mal wieder die großartige Künstlerin Maria Taylor in unserem Haus begrüßen und auf der Bühne bewundern dürfen.
Gibt es schon einen Plan, wie Sie die unerwartete freie Zeit nutzen?
Siehe Antwort auf die zweite Frage.
Lässt sich der zu befürchtende finanzielle Verlust irgendwie ausgleichen?
Notfalls lassen wir uns in Zukunft von den potentiellen „Gewinnern“ der Corona-Krise sponsern, den Klopapier-Produzenten zum Beispiel. Alle Shows 2021 powered by ja! Tissue Toilettenpapier oder Hakle Feucht. Nein, im Ernst: Nicht zuletzt auch dank der mehr als nur beachtlichen und tatkräftigen Unterstützung Vieler ist ein schlimmeres Szenario einstweilig vom Tisch. Ich erwähne an dieser Stelle ganz bewusst das unglaublich hohe Entgegenkommen der zuständigen Ämter und Institutionen, sowie unserer langjährig-verlässlichen Geschäfts- und sonstigen Partner. Nicht zu vergessen natürlich auch, die jahrelange Vor- und Lobbyarbeit der einschlägigen Klub- und Livemusik-Netzwerke im gesamten Land, vorneweg unsere derzeitige Kulturstaatssekretärin. Ohne die Klubs & Veranstalter wie wir, vor allem in der jetzigen Situation, wohl noch immer am kulturgesellschaftlichen Rand hocken würden. Und auch Monika Grütters jüngstes Versprechen - „Wir tun alles um das dichte Netz geistiger Tankstellen zu erhalten“ – ist im gegenwärtigen Kontext nicht hoch genug zu werten. Zudem berührt es uns aktuell sehr, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl bereits im Vorverkauf erworbener Tickets offenbar nur zögerlich oder gar nicht zurückgebucht wird. Dadurch gewinnen nicht nur wir, sondern auch die daran beteiligten Konzertagenturen, Ticketverkäufer und auch unsere Künstler, etwas mehr Planungssicherheit bezüglich der verlegten Shows. Und ja, auch einen nicht zu unterschätzenden, finanziellen Puffer. Darum auch ein riesengroßes Dankeschön an alle, die sich bislang so entschieden haben.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Etwas "Höheres" als wir, nennen wir es "Die Natur", hat den Finger in unser überdrehtes Hamsterrad gehalten, es abrupt gestoppt, um es sodann um einiges langsamer weiterlaufen zu lassen. Vielleicht nur zwischenzeitlich, vielleicht aber auch für längere Zeit. Zeit, um innezuhalten, um aufzuschauen. Bei allen damit einhergehenden Misslichkeiten bis tragischeren Schicksalen: Epidemien, respektive Pandemien, sowie andere Unberechenbarkeiten größeren Ausmaßes, erinnern den vernunftbegabten Teil der Menschheit unausweichlich, real und wiederkehrend an die Bedeutungs- und Hilflosigkeit des Einzelnen im Eigentlichen. Im wahrsten Sinne notgedrungen, klammern wir uns fester aneinander, üben Solidarität, gebrauchen unsere ureigentliche Fähigkeit zur Empathie. Wir lernen zum x-ten Male: Alleine geht es nicht. Wir werden wieder kreativ. Max Frischs Spruch bezüglich der vom Beigeschmack der Katastrophe befreiten Krise, als durchaus produktivem Zustand, wurde ja auch dieser Tage wieder hinlänglich und überaus passend zitiert. Und ja: Wir haben gerade darum (noch immer) Hoffnung.
Können Sie schon generelle Lehren aus dieser Erfahrung ziehen?
Das Tragen einer Atemschutzmaske in der Öffentlichkeit fällt offenbar nicht unter das sogenannte Vermummungsverbot gemäß Paragraph 17a.
Gespräch: Frank Treue