Pfadfinder neuer Klangwelten

Das Tonlagen Festival Hellerau präsentiert unter dem Motto „Pause“ neueste Musikkreationen online.

Von Tom Vörös
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Belenish Moreno-Gil und Oscar-Escudero. © Christian Damiano / PR

Der Frühling 2021 ist zugleich eine Art Blütezeit für Online-Festivals. Auch das Tonlagen-Festival in Hellerau ist gezwungen, neue kreative Wege im Internet zu gehen. Und so wurde das ursprünglich auf Lockerungen ausgelegte Programm noch einmal angepasst. Die Veranstaltungen finden also ausschließlich online statt – als Videostreams, Livestreams oder Rundfunkübertragungen.

Kreativ & verspielt: das Trickster Orchestra.
Kreativ & verspielt: das Trickster Orchestra. © Silke Weinsheimer / PR

Mit Spendentickets unterstützen

Bereits 1987 gründete Udo Zimmermann die „Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“. Seit 2019 präsentiert das internationale Festival unter dem Namen „TONLAGEN – Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“ alle zwei Jahre aktuelle Entwicklungen in der Musik und zeitgenössischen Kunst. Ausgabe Nummer 30 findet wegen der aktuellen Lage in mehreren Teilen statt - im April und November 2021 sowie Anfang 2022.

Der erste Zeitraum, vom 11. April bis 2. Mai, prsentiert an vier Wochenenden zahlreiche neue Produktionen und Positionen ausschließlich online. Die meisten Veranstaltungen kosten zwar keinen Eintritt. Doch zur Unterstützung der teils umfangreichen Produktionen können Spendentickets erworben werden: Single: 5 Euro, Double: 10 Euro, Triple: 15 Euro, Quadro: 20 Euro, Tutti: 50 Euro.

„Mit dem Thema ,Pause‘ wollten wir zunächst die besondere Situation eines Festivals betonen", sagt Moritz Lobeck, Leiter des Festivals. „Der Alltag pausiert, damit die Kunst ihren Platz findet. Nicht zuletzt durch die aktuellen globalen Entwicklungen sind aber auch Aspekte von erzwungenen wie notwendigen Pausen, von Stille und Unterbrechungen wieder stärker in den Fokus geraten. Künstlerische Positionen wie die von Julian Charrière, Olga Neuwirth oder Robert Lippok setzen hier an, zahlreiche weitere musikalische Programmpunkte wie auch die Symposien sollen Anregung und Angebot sein, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen“.

Seit seiner Gründung 1980 zählt das international besetzte Ensemble Modern (EM) zu den führenden Ensembles für Neue Musik.
Seit seiner Gründung 1980 zählt das international besetzte Ensemble Modern (EM) zu den führenden Ensembles für Neue Musik. © Wonge Bergmann / PR

Mit 433X22 begleitet John Cages legendäre Komposition 4‘33‘‘ in Kooperation mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden jeden Morgen des Festivals, „An Invitation to Disappear“ von Julian Charrière wird sich als installative Rave-Performance an jedem Abend des Festivals weiterentwickeln, Robert Lippok und Maryvonne Riedelsheimer werden das Festival mit einer spekulativen musikalischen Studie beschließen. Außerdem präsentiert Ensemble Modern XERROX 4 von und mit Carsten Nicolai, Trickster Orchestra veröffentlicht im Rahmen des invasiven Projektes „Disturbing the Universal“ sein neues ECM Album.

Der bewusst auch regionale und historische Blick des Festivals spiegelt sich in Teilen des Programms: in Kooperationen u.a. mit der Sächsischen Akademie der Künste, der Sächsischen Landesbibliothek und dem Stadtarchiv Dresden werden in den nächsten Jahren wertvolle Bild- und Tondokumente des ehemaligen Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik recherchiert, digitalisiert und somit zugänglich gemacht. Außerdem sind mit AuditivVokal Dresden, Sächsische Staatskapelle, Elbland Philharmonie, Ensemble Avantgarde, Contemporary Insights, El Perro Andaluz oder ensemble courage zahlreiche lokale Ensembles im Programm vertreten, Frieder Zimmermann präsentiert ein neues Projekt zu Dresden-Prohlis, dem Ort seiner Kindheit. Neben einem Fokus auf experimentelle Musikfilme in der DDR sind, kuratiert von Gisela Nauck und Jens Schubbe und in Kooperation mit Deutschlandfunk, Uraufführungen u.a. von Paul-Heinz Dittrich und Helmut Oehring geplant. In einem Podcast diskutiert der Musikwissenschaftler Jakob Auenmüller verschiedene Perspektiven zur Aufarbeitung der ostdeutschen Kunst in der Nachwendezeit.

Ein weiterer Schwerpunkt des Festivals liegt auf Neuem Musiktheater: In Kooperationen mit Münchener Biennale, ZKM | Karlsruhe, Semperoper und den Hochschulen für Musik und für Bildende Künste Dresden stehen neue Projekte und Positionen u.a. von Trond Reinholdtsen, Olga Neuwirth, Óscar Escudero und Belenish Moreno-Gil, Zeitkratzer, Pisse, Amy Bryce, Chaya Czernowin, John Moran und Josh Spear auf dem Programm. In dem Symposium „Musik Theater Positionen“ in Zusammenarbeit mit „Theater der Zeit“ und „Positionen“ diskutieren u.a. Manos Tsangaris, Susanne Kennedy, Brigitta Muntendorf, Iñigo Giner Miranda, Juliana Hodkinson, Lea Letzel und Wen Chin Fu zu aktuellen Entwicklungen in Musik und Theater.

In einem abschließenden Symposium, kuratiert von Elisa Erkelenz, wird zu Diversität, Kategorien und Gerechtigkeit in der (zeitgenössischen) Musik debattiert. Hier sind so unterschiedliche Gäste wie Max Czollek, Kübra Gümüşay, Jessie Cox, Margareta Ferek-Petric, Matthias Mohr, Steven Walter, Annekatrin Klepsch, Gregor Hotz, Lena Krause oder Katja Lucker zu erwarten.

TONLAGEN – Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik

www.hellerau.org/tonlagen