Augusto fragt nach … in der Sonderbar Dresden

Inhaber Jens Lukas findet, gerade das Einfache sei schwer perfekt zu machen. Was das für seine Cocktailbar bedeutet – und warum Gastronomie und Werte für ihn so gut zusammenpassen.

Von Marcel Pochanke
Augusto fragt nach … in der Sonderbar Dresden
Jens Lukas genießt es, mit der Sonderbar seine Vorstellung von Gastronomie auszuleben. © Sonderbar/PR

Die Sonderbar wurde 1994 im „wilden Osten“ gegründet, wie Inhaber Jens Lukas heute erzählt. Seit 2006 ist er selbst im Team, 2018 hat er die Bar übernommen. Mitten in einer Wohngegend in der Dresdner Südvorstadt gelegen, ist sie schnell zu einem Mekka besonderer Cocktail-Genüsse geworden. Neben dem Getränk geht es Jens Lukas auch ums Wohlfühlen in seiner Bar: Wie „ein zweites Zuhause“ solle sie sein. Zur Begrüßung an diesem Dezembertag bietet er einen Glühwein an.

Herr Lukas, ich vermute, der Glühwein ist kein gewöhnlicher?
Es ist bei uns Tradition zum 1. Advent, dass wir bis ins neue Jahr unseren hausgemachten Glühwein ausschenken. Er ist jedes Jahr ein bisschen anders. Neben den Weinen und Gewürzen ist er mit ausgesuchten Alkoholika abgerundet. Sebastian Slavik ist dafür verantwortlich. Er hat eine sehr, sehr gute Sensorik und sorgt auch sonst bei uns dafür, dass die Drinks zugleich massentauglich sind und etwas zu sagen haben. Dass der Glühwein selbstgemacht ist, geht bei uns nicht anders. Und dass er nicht 3,50 Euro kostet, auch.

Wie würden sie die Eigenart der Sonderbar beschreiben. Was macht sie zur Sonderbar?
Wir sind bekannt für gute, kreative Drinks. Wichtiger aber als irgendeine Kreation ist es, dass man einen Gastgeber vor sich hat, der daran interessiert ist, dass es dir wirklich gut geht.

Das "zweite Zuhause" der Gäste. Dabei geht es nicht zuerst um die Getränke, sondern die Begegungen.
Das "zweite Zuhause" der Gäste. Dabei geht es nicht zuerst um die Getränke, sondern die Begegungen. © Sonderbar/PR

Da Sie „bekannt“ sagen, sich aber eingangs des Gesprächs gefreut haben, dass ich es ganz analog mit Füller in ein Notizbuch mitschreibe: Wie gehen Sie in der zunehmend digitalen Welt mit ihren Online-Plattformen damit um, bekannt zu bleiben?
Da müssen wir unseren Weg finden. Natürlich brauchen wir inzwischen das Netz. Dazu gehört die Webseite, die ist mir am sympathischsten. Weil man die nach seinen eigenen Regeln gestalten kann. Was die sozialen Kanäle betrifft: Wir bedienen Facebook und Instagram, aber das mache ich nicht persönlich, sondern eine Expertin, die weiß, wo und wie man das angeht. Facebook oder Instagram sind nur Verpackungen. Aber du kommst nicht daran vorbei.

Aber Ihrs ist es nicht…
Die Leute haben dabei oft verlernt, was für sie persönlich wichtig ist. Alte Werte, dafür ist die Gastronomie der richtige Ort. Weil es immer ums Handwerkliche geht. Zu den Werten gehört auch die Spendenaktion, die wir in diesem Advent wieder machen. Es geht nicht nur ums Geld sammeln, sondern die Gäste wissen: Der Chef verdoppelt den Wert von dem, was sie hineinlegen. Das ist für mich auch eine Werbung, aber die sympathischste Art. Das hat man sonst selten im Geschäft.

Die aktuelle Advents-Charity-Aktion in der Bar.
Die aktuelle Advents-Charity-Aktion in der Bar. © Marcel Pochanke

Es hat wohl schon mit Haltung zu tun, in die Sonderbar zu kommen?
Wir sind, abgesehen von einigen Hotelbars in der Innenstadt vielleicht, definitiv die teuerste in Dresden. Ich habe neulich mal zum Spaß bei den Bewertungen auf Google, die ich sonst eher nicht wahrnehme, Sonderbar und Preis eingegeben, um zu sehen, was die Leute schreiben. „Geile Drinks. Man muss etwas tiefer in die Tasche greifen, aber es lohnt sich“, stand da etwa.

Wer sind die Menschen, die hier herkommen und „tiefer in die Tasche greifen“?
Sehr unterschiedlich. Da sind die, die auf das Geld nicht mehr so achten müssen wie zu Studentenzeiten. Die es sich regelmäßig leisten wollen und können, sich etwas zu gönnen. Aber die andere Gruppe freut mich noch mehr… Die Uni ist ja hier um die Ecke. Wenn auch die Studenten kommen, an dem bestellten Drink dann vielleicht etwas länger trinken, danach nur noch ein Bierchen oder ein Ginger Ale nehmen. Das finde ich super. Geschmack, nicht Geiz ist geil. Wer preiswerter feiern will, geht in den Studentenclub oder trinkt ein Bier für 2,50 Euro in der Neustadt.

Sie waren lange nicht in der Neustadt?
Stimmt. Wobei, nicht ganz. Ich war vor kurzem im neu eröffneten Juri von Julia Reichel. Das ist ein Ort, über den ich mich freue und denke, schön, dass es den jetzt gibt.
Bei uns kostet ein Cocktail durchschnittlich etwa elf Euro. So ist die Neustadt nicht, meine ich. Wenn die aber elf Euro nehmen, dann ist das richtig. Dann geht das langsam in die Richtung realer Preise. Marktwirtschaft heißt nicht immer günstiger. Das sind Dinge, die wir weitertragen wollen. So wie ich meinen Kindern beibringe, dass Tomaten nicht in Plastikdosen wachsen. Sie sollen sehen, dass es einen Aufwand bedeutet und etwas kostet. Insofern ist die Sonderbar eigentlich nichts Sonderbares. Was hier passiert, sollte normal sein.

Wie hat sich in den Jahren Ihr eigener Cocktail-Geschmack verändert?
Oh… Angefangen hat es mit ein, zwei Lieblingscocktails. Doch es ist wohl bei jedem, der etwas professionell macht, so: Je erfahrener er wird, desto schwieriger sind die Entscheidungen. Weil du alle Parameter kennst, die du beeinflussen kannst. Wir machen es hier wie ein Koch in der kalten Küche. Aus verschiedenen Zutaten entsteht etwas Neues. Es geht darum, zu erkennen, worauf du Lust hast. Ich mochte anfangs vor allem die Hard Drinks, keine Säuren, keine Fruchtsäfte. Aber ich trinke auch einen Mojito oder eine gute Pina Colada, wenn ich sie hingestellt bekomme. Es sind immer die Details. Je einfacher ein Rezept ist, desto schneller kann man es schlecht machen, das ist wie in der italienischen Küche. Die scheinbar trivialen Gerichte dort sind enorm schwer gut zu machen. Das beginnt bei guten Rohstoffen. Heute trinke ich eher selten Alkoholisches. Ich setze mich auch mit einem Glas heißer Ingwer mit Minze zu meinen Gästen.

Welche Pläne gibt es noch, für die Sonderbar und für Sie?
Die Sonderbar ist eine gute Gelegenheit, in Gänze auszuleben, was man sich erträumt hat. Es wird aber nicht das Ende sein. Dazu ist der Kaufmann in mir zu erwachsen. Solche Sachen wachsen organisch. Das Catering wird auf jeden Fall ausgebaut. Es geht dahin, komplette Veranstaltungen auszurichten. Ich bin kein Wedding Planer aber in der Lage, eine Hochzeit in Gänze auszurichten, auch mit meinem Netzwerk, das ich inzwischen habe.
Dann habe ich auch die Highland Games in Dresden mit ausgerichtet. So etwas ist eine super Sache. Die Zusammenarbeit mit der Stadt hat aber leider gar nicht geklappt. Jetzt sind sie bei Leipzig. Von Dresdnern für Dresden, das ist scheinbar schwer. Vermutlich war ihnen auch die prognostizierte Zahl von 8.000 Besuchern zu gering? Es braucht Courage, etwas zu tun, wenn man jammert, dass es nichts gibt. Ich hätte Lust, dafür Zeit zu haben.

Ein Old Fashioned nach Art des Hauses.
Ein Old Fashioned nach Art des Hauses. © Sonderbar/PR

Wie sieht die Adventszeit in der Sonderbar aus?
Ich hatte vergessen, wie intensiv sich Weihnachtsmärkte aufs Geschäft auswirken. Wobei ich selbst nichts gegen Weihnachtsmärkte habe – es müssen eher nicht die großen sein. Es gibt inzwischen zuhauf kleine, sehr schöne. Neulich in der Kunsthofpassage, in der Prießnitzstraße in der Blauen Fabrik der ist auch toll. Und an der Dreikönigskirche gibt es auch endlich einen. Ich kann das verstehen, wenn man dort jetzt gern hingeht.

Hier in der Nähe der Sonderbar gibt es da aber eine Lücke. Haben Sie selbst mal daran gedacht, einen kleinen Sonderbar-Weihnachtsmarkt aufzustellen? Den wirklich unfassbar leckeren Glühwein gibt es schon…
Wir haben versucht, die Leute hier im Viertel mehr einzubeziehen. Aber da hakt es noch.

Die Lage der Sonderbar …
… ist Segen und Fluch zugleich?

Ja.
Ist Segen und Fluch zugleich. Ich mag sie ja sehr. Zumal: In der Neustadt kannst du die Preise wie bei uns nicht nehmen. Damit kannst du das, was wir wollen, nicht abbilden. Personal und Rohstoffe haben bei uns ihren Preis. Ich kaufe auch bewusst nicht günstig, sondern viel im lokalen Einzelhandel. Auf der anderen Seite habe ich in der Altstadt das Gefühl: Schraubt bitte eure Rendite nicht so hoch! Die Leute, die zu euch kommen, sollen doch was erleben. Für uns hier geht es darum, dass die Leute wiederkommen. Da wird keine Reisegruppe mit 72 Touristen einfach mal hereingeführt.

Die Weihnachtsmärkte rauben Kundschaft, dann kommt der oft saure Monat Januar – woher kommt Ihre gute Laune?
Ich halte es mit meinem Opa: Mit jammern verdient man kein Geld. Corona hat dazu auch beigetragen, da hat man fürs Leben gelernt. Dabei war es heftig. Was ich begeisternd fand, war die Umgangsweise miteinander. Ich war die erste Woche nach der Schließung wirklich nicht zu gebrauchen. Dann hatten meine Mitarbeiter die Idee, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn die Gäste nicht zu uns kommen, gehen wir zu den Gästen. Der Lieferservice war aus kaufmännischer Sicht keine gute Idee. Aber ich habe alle Mitarbeiter behalten – und danach noch drei neue eingestellt. So halte ich den Umgang miteinander: Das ist unsere Bar. Ich trage das wirtschaftliche Risiko, aber der Inhalt gehört uns. Was wir machen, ist immer öffentlich. Versuchen Sie mal, in Paris in ein schlechtes Restaurant zu gehen. Das geht gar nicht! Aber es gibt auch in Dresden viele gute – und viele unterschiedliche Herangehensweisen.

Abends wird es hier voll.
Abends wird es hier voll. © Sonderbar/PR

Sonderbar


Würzburger Straße 40
01187 Dresden

Telefon: 0351 4719595
E-Mail: [email protected]
Internet: www.sonderbar.de

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