Augusto fragt nach… im Westphalenhof Zeißig
Inhaber Oliver Westphal über anspruchsvolles Essen, einfaches Essen und warum er einen Michelin-Stern nicht unbedingt anstrebt.
Der Westphalenhof in Zeißig bei Hoyerswerda ist einer von nur zwei Orten in Ostsachsen, die in den Gourmetführern Gault Millau und Guide Michelin gelistet werden. Es möchte eine idyllische Oase für eine besondere Auszeit sein. Das Küchenteam um Alexander Westphal verwöhnt die Gäste mit kleinen Vorspeisen und Appetitanregern, Fisch- und Fleischgerichten sowie vegetarischer Kulinarik der gehobenen Küche. Bei allen Gerichten legt Westphal großen Wert auf behutsame Zubereitung und regionale Zutaten aus nachhaltigen Quellen. Für die passende Weinbegleitung sorgt Inhaber Oliver Westphal, der zugleich Sommelier des Hauses ist. Er stand Augusto im Gespräch Rede und Antwort.
Herr Westphal, Sie bieten erfolgreich gehobene Küche vor den Toren von Hoyerswerda an. Blicken Sie eher mit Stolz darauf oder haben Sie das immer kommen sehen?
Wir sind schon stolz darauf. Der Westphalenhof startete vor fast 30 Jahren unter sehr einfachen Bedingungen. Auch wenn damals schon gut gekocht wurde, stand da eher die dazugehörige Kegelbahn im Zentrum. Es hab Gulasch, Würzfleisch, Eisbein, wie es Usus war nach der Wende. Wir haben aber gemerkt, dass wir auch anders können. Nachdem ich 2014 wiederkam, dazu hatte auch mein Bruder vom Kulinarischen her viel gelernt, haben wir uns auf die Gourmetschiene verlegt. Wir hatten bis dahin gemacht, was alle machen, dabei natürlich auf hohe Qualität geachtet. Aber so konnten wir uns abheben. Und es wurde sehr gut angenommen, nicht nur in der Gegend. Wir haben zum Beispiel viele Dresdner Gäste.
Das wäre auch meine Frage gewesen: Wie viele Gäste kommen aus Hoyerswerda, wie viele lockt der Westphalenhof von weiter weg an?
Ich würde sagen, das Verhältnis zwischen Gästen aus Hoyerswerda und denen, die weiter anreisen, ist 50:50. Dabei muss ich sagen, dass wir sogar aus dem Ort Zeißig mit seinen knapp 1.000 Einwohnern immer wieder viele Stammgäste bei uns haben.
Schaut man online auf die Liste der „kulinarischen Höhepunkte" für das Jahr, etwa Weinabende oder First-Class-Dinner, sind alle bereits ausverkauft. Man fragt sich, ist das Tatsache oder ein technischer Fehler?
Jaja, das ist alles ausgebucht, das war auch letztes Jahr schon so. Bei uns werden immer am 21. September die neuen Termine bekanntgegeben, ab dem 28. September um 10 Uhr konnte man reservieren. Mitte Oktober war alles weg. Wir machen das seit 2000, die Leute kommen immer wieder. Dabei wissen sie im Vorfeld weder, was es an dem Tag zu Essen, noch was es zu Trinken gibt.
Bei dem Zuspruch vermutet man, dass Ihnen die Corona-Zeit wirtschaftlich auch nicht so viel anhaben konnte?
Wir haben das dank unserer Stammgäste sehr gut überstanden. Dabei gab es nicht viele Angebote zum Mitnehmen, nur Weihnachten 2020 und Ostern 2021 hatten wir Menüs zum Abholen und Fertigkochen. Die Qualität rechnet sich für außer Haus nicht. Ich muss auch sagen, dass die staatlichen Hilfen gut waren und sich an alles Zugesagte auch gehalten wurde.
Lassen Sie mich erzählen: Im letzten Winter durften wir ja nur eingeschränkt öffnen. Es haben aber viele von unseren Stammgästen den Spaß mitgemacht: Sie waren punkt 17 Uhr da, hatten sich unter Umständen dafür den halben Tag freigenommen. Und 20 Uhr war das Lokal wie gefordert wieder leer. Das klappt, weil wir eben nicht auf Touristen setzen, sondern eine hohe Quote Stammbesucher haben von vielleicht 95 Prozent.
Haben Sie den Corona-Stillstand für Arbeiten am Haus oder neue Ideen genutzt?
Ja, wir haben die Bar komplett neu gemacht, den Eingang verschönert. Die Wände, die Teppiche und Sanitärbereiche sind neugestaltet.
Sie sind im Gault Millau und dem Guide Michelin gelistet. Streben Sie auch einen Stern an, oder ginge Ihnen das zu weit?
Wir halten es so: Wenn wir einen Stern bekommen, dann ist das so. Wir arbeiten aber nicht darauf hin. Was dann eintritt, ist der Druck, den zu halten. Das weckt bestimmte Erwartungen. Wir haben eine freundschaftlich-nette Beziehung zu den Gästen, wollen nahbar sein. Dann trinken wir auch schonmal ein Glas Wein am Tisch mit. Und, das soll nicht despektierlich klingen, ein Stern würde da Erwartungen wecken, die wir nicht erfüllen wollen.
Welche Wege nutzen Sie in Zeißig, um die Küche immer weiterzuentwickeln? Ich nehme an, probieren spielt eine große Rolle?
Probieren, ja, das passiert natürlich viel. Wir beide folgen diversen Instagram-Accounts, dort gibt es bekannte Foodblogger, bei denen man sich Inspirationen holt. Wir sind oft in Dresden und dort gut vernetzt. Das alles, wie gesagt, wird dann erst einmal auf verschiedene Weise ausprobiert und wir schauen, was wir entdecken können. Wenn wir gerade zum Beispiel ein Frikassee geil finden, dann machen wir das auf unsere Weise.
In Ihrer Küche, schreiben Sie, servieren Sie auch „ungewöhnliche Kombinationen“. Können Sie uns dafür ein aktuelles Beispiel von Ihrer Karte nennen?
Was ist mittlerweile ungewöhnlich! Das war vor zehn Jahren noch anders. Was wir gern kombinieren ist etwa Jakobsmuschel und Currys. Das ist eines unserer bestverkauften Essen! Und wir begeben uns derzeit mehr in den asiatischen Stil hinein. Ab dem Wochenende gilt dann schon die neue Karte. Da finden Sie zum Beispiel Taube oder Seeteufel.
Am 30. Mai wird der Westphalenhof 30. Haben Sie zu dem Anlass etwas Besonderes geplant?
Das ist ein Montag, da ist eigentlich Ruhetag. Wir haben dafür Einladungen verschickt, wollen das zwanglos begehen mit Rind vom Grill und Bierwagen. Also nicht öffentlich, ohne Fotos.
Sie betonen in Ihrem Internetauftritt die sorbische Identität von Zeißig und werben damit. Findet sich das Sorbische auch in Ihrer Küche wieder?
Leider nicht. Sie sorbische Küche ist sehr einfach und volkstümlich. Das ist wunderbar und gut so, aber Buchweizen und Plinse ist nicht so sehr der Anspruch unserer Gäste. Ich finde es aber gut und mache mich stark dafür, dass die sorbischen Traditionen erhalten werden. Ich bin in Hoyerswerda geboren. Man sollte seinen Ursprung nicht verlieren.
Gehen Sie, der die eigene gehobene Küche gewohnt ist, selbst noch in Hoyerswerda und Umgebung weg?
Natürlich. Ich gehe auch gern bewusst einfach essen und freue mich darüber. Das ist ein schöner Ausgleich zu unserer Küche hier.
Sie sind der Sommelier im Haus. Haben Sie einen aktuellen Lieblingswein, den Sie uns empfehlen können?
So ziemlich alle! Aber neulich war ich bei einer Jungweinprobe im Rothen Gut Meißen von Tim Strasser. Der neue Jahrgang Müller-Thurgau von dort wird unglaublich gut. Den gibt es dann auf alle Fälle auch bei uns.
Wohin soll sich der Westphalenhof noch entwickeln?
Auf keinen Fall werden wir uns vergrößern. Wir haben jetzt 30 Sitzplätze, das reicht zu. Vier Köche und drei Servicekräfte, mehr bekommen wir auch auf dem Personalmarkt, wie er derzeit ist, nicht ran. Wir können gut leben mit dem und gute Löhne zahlen, das ist uns wichtig. Wir werden auch keine Übernachtungen anbieten. Es soll weiter ganz ums gute Essen und Trinken gehen.
Westphalenhof
Dorfaue 43
02977 Hoyerswerda OT Zeißig
E-Mail: [email protected]
Telefon: 03571 913944
Internet: westphalenhof.de
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