Augusto fragt nach ... im NEUFNEUF Bühnen Bistro
Wie es ist, das Restaurant an einem zeitgenössischen Theater zu führen? Nam Do und Barbara Staudenmaier erzählen das und viel mehr im Augusto-Gespräch.
Das NEUFNEUF Bühnen Bisto befindet sich direkt am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. 2020 eröffnet, konnte ein „normales“ Bistro- und Theaterleben hier noch nicht stattfinden. Die Küche verbindet vietnamesische Gerichte mit der philippinischen Küche. Neben traditionellen Speisen gibt es viele kulinarische Neukreationen, eine erlesene Auswahl feiner Weine und Biere, sowie fair produzierte Limonaden und Kaffee- und Teespezialitäten. Alle Speisen gibt es zum Mitnehmen. Geführt wird das NEUFNEUF von einem jungen Duo: Inhaber Nam Do und der stellvertretenden Geschäftsführerin Barbara Staudenmaier. Bei diesem Gespräch, in dem man schnell beim Du ist, ergreifen die Gastgeber das Wort:
Barbara Staudenmaier: Schön, dass ihr mal bei uns seid. Ich lese die Gespräche öfter. Es ist interessant, zu sehen, was andere so erleben und sagen. Wir sind ja beide Quereinsteiger.
Da ihr Quereinsteiger seid – aus welchen Bereichen kommt ihr?
Nam Do: Barbara kommt aus der Kulturbranche, ich war Steuerberater. Vor fünf Jahren habe ich in Dresden Pieschen das Do Street Food Vietnam aufgemacht. Und hier sind wir dann quasi reingestolpert. Der stellvertretende Geschäftsführer des Theaters war ein großer Fan von unserem Essen in Pieschen. Und so kam der Kontakt zustande.
Ursprünglich sollte es aber ein anderes neues Projekt geben im Löwen auf der Hauptstraße. Der Vermieter und der Denkmalschutz haben uns dort das Leben schwer gemacht. Sie wollten, dass der DDR-Look bleibt – lieber bleibt das Lokal ungenutzt. Das hat nicht zu unserem Konzept gepasst. Dann ist es doch das Theater geworden. Und kurz darauf haben wir auch das Schauspielhaus am Postplatz übernommen. Das haben viele noch gar nicht gemerkt durch die Schließungen der Häuser. Wir haben bis heute noch nie ein volles Haus erleben dürfen. Ich hoffe, das kommt noch. Es gibt am Postplatz zwar die Kantine für die Theaterleute, aber die ist allein nicht wirtschaftlich.
Ihr nennt euch selbst Bühnen Bistro hier. Was macht es im Alltag aus, dass ihr hier am Kleinen Haus mit einem Theater verbunden seid?
Barbara Staudenmaier: Es ist ein komplett verschiedenes Publikum. Mittags kommen die Gäste aus den Kanzleien und Büros um uns herum. Die haben mit dem Theater eigentlich nichts am Hut. Es kann aber passieren, dass sie auf Leute im Kostüm prallen, die für die Probe noch ihr Liedchen trällern und sich eine Limo holen.
Am Abend kommt das Theaterpublikum, die wollen was erleben und reservieren oft vorher einen Tisch. Während die Leute mittags in kurzer Zeit essen möchten, geht es abends um das verbindende Element. Wobei wir sie immer noch 22 Uhr hinausbitten müssen. Das ist gerade nach Premieren ungünstig. Da möchten die Menschen feiern oder sich austauschen.
Nam Do: Die Premiere von „Ich fühls nicht“ war 22 Uhr Schluss. Dann wollten viele noch bei uns was trinken. Wir mussten sie wegschicken. Sie verstehen es aber. Und seitSonntag fällt die Zeitbegrenzung ja zum Glück weg.
Barbara Staudenmaier: Was wir dann und vor allem im Sommer wieder nutzen können und unser Luxus ist, ist die große Terrasse. Ich freue mich auf den Sommer!
Treffen euch die Corona-Einschränkung als Theater-Bistro anders als andere Gastronomen?
Barbara Staudenmaier: Uns gab es ja vorher nicht, daher fehlt der Vergleich.
Nam Do: Das Do in Pieschen hatte fast keine Einbußen. Hier traf es uns dadurch, dass das Theater hier ist, fast härter als andere. Wenn Theater zu haben, denken viele, das Restaurant hat auch zu und kommen dann etwa nicht zum Mittagstisch.
Wirken sich bestimmte Stücke im Spielplan auf den Umsatz aus?
Barbara Staudenmaier: (Lacht) Ja. Wenn zum Beispiel die Bürgerbühne eine Aufführung hat, dann kommen viele junge Leute oder Schulklassen. Das ist super cool. Aber die essen und trinken eher wenig. Anders herum ist es bei eher etablierten Stücken. Das merken wir auch genauso drüben im Schauspielhaus. „Liebe ohne Leiden“, wo es mit Musik zur Sache geht, bringt uns tatsächlich spürbar mehr Umsatz. Im Gegensatz zu ernsten Aufführungen.
Nam Do: Und schwierig ist, dass es die zeitweise Begrenzung von Stücken auf zwei Stunden gab und keine Pause darin. Das merken wir richtig. Die Leute spüren, dass der Besuch kurz gehalten werden soll, kommen knapp vorher und gehen dann schnell nach Hause.
Barbara Staudenmaier: Es gibt hier Formate mit 25 Gästen, für die öffnen wir natürlich auch, aber das bringt uns jetzt nicht richtig viel.
Man nimmt klischeehaft an, dass die Schauspieler im Theaterbistro ein dankbares Publikum sind?
Nam Do: Doch, doch. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis.
Barbara Staudenmaier: … und sehen uns auch gern die Stücke an. Man kriegt da auch viel mit. Auch mit der Intendanz haben wir einen guten Draht. Und wenn dann vormittags die Techniker hier ihren Kaffee trinken und abends die Intendanz bei uns sitzt, dann bekommt man ein tolles Bild von so einem Haus.
Nam Do: Manche sagen schon, man müsste da mehr draus machen, unsere Erlebnisse sammeln.
Barbara Staudenmaier: Wir kriegen hier auch die ungefilterte Meinung vom Publikum mit.
Nam Do: Wir fühlen uns hier am Theater sehr wohl. Und sie fühlen sich mit uns wohl. Wir wollen auch längerfristig hier bleiben.
Eure Küche ist vietnamesisch-philippinisch. Wie kommt die Verbindung zustande?
Nam Do: Erst einmal natürlich meine Herkunft aus Vietnam. Und wir hatten hier eine internationale Tendenz zu Fusion-Küche. Da unsere Küchenchefin von den Philippinen kommt, lag die Verbindung nahe. Und es kommt gut an.
Die vietnamesische Küche ist einigermaßen bekannt, nicht aber die philippinische. Was macht die aus?
Nam Do: Es wird viel gegrillt. Da sind wir hier zwar etwas eingeschränkt, aber wir versuchen, nahe an den philippinischen Geschmack heranzukommen. Es ist scharf, schärfer als das vietnamesische Essen.
Barbara Staudenmaier: Wir müssen manchmal darauf achten, dass wir keine asiatische Schärfe erzeugen, das ist zuviel, sondern deutsche Schärfe. Außerdem ist die philippinische Küche fruchtig, es gibt viel Eingelegtes und Fermentiertes.
Wie läuft der Außer-Haus-Verkauf, den ihr anbietet?
Barbara Staudenmaier: Wir haben das erst über Lieferando gemacht, aber damit aufgehört. Es hat sich nicht gelohnt, man weiß ja auch, welche Prozente sich Lieferando nimmt. Dann haben wir kurz versucht, selbst zu liefern. Mit dem Fahrrad, weil wir alle kein Auto haben. Aber schon die Rucksäcke dafür waren in der Hochphase des Lockdowns ausverkauft. Inzwischen gibt es viele, die ihr Mittag abholen. Wir haben eine Kooperation mit Vytal. Jeden Tag gibt es die Bowl des Tages, wenn die aus ist, ist es so. Deswegen bestellen manche die sich vorher, um sicher zu gehen.
Wie gut funktioniert das Modell mit den Mehrwegverpackungen von Vytal?
Barbara Staudenmaier: Gerade in der Neustadt gibt es ein junges Publikum, das bewusster lebt. Da ist das vielen bekannt. Das Angebot wird gut angenommen.
Was kostet euch die Verpackung bei Vytal?
Barbara Staudenmaier: Nur ein paar Cent pro Essen. Für die Kunden ist es kostenlos, es gibt auch kein Pfand. Das ist der Vorteil zu anderen Systemen.
Auch wenn ihr in der Neustadt sitzt, trefft ihr mit der Fusion-Küche doch auf überwiegend deutsche Geschmäcker. Gibt es bei den Bowls etwas, das da garantiert immer funktioniert?
Nam Do: Wir bieten die jeden zweiten Tag vegetarisch oder vegan an. Manche kommen nur an Fleischtagen, manche essen nur vegetarisch.
Barbara Staudenmaier: Ich habe das Gefühl, dass bei den veganen Gerichten die Euphorie einfach größer ist.
Nam Do: Weil es einfach auch nicht die so typischen Sachen sind.
Welche Pläne habt ihr für das Neuf Neuf?
Barbara Staudenmaier: Erst einmal ins Fahrwasser kommen.
Nam Do: Step by Step etablieren. Wir möchten unter normalen Bedingungen mit normalen Kapazitäten arbeiten. Bis jetzt ist es vor allem Problembewältigung.
Barbara Staudenmaier: Das Theater macht ja Sommerpause, da wird es wohl unser nächstes Projekt geben.
Vielleicht wieder in Richtung Pop-up-Restaurant wie im Sommer 2020?
Nam Do: Das war wirklich super.
Barbara Staudenmaier: Ich fand interessant, dass das Medieninteresse dafür so groß war. Vielleicht, weil es kein Restaurant in der Neustadt so macht.
Nam Do: Es hatte sich im Sommer angeboten. Die Terrasse war schön, ein bisschen versteckt. Aber gerade bei Instagram hat es sich viel herumgesprochen.
Das heißt wohl, dass ich wohl doch mal über meinen Schatten springen und mir einen Instagram-Account zulegen muss?
Barbara Staudenmaier: Es ist praktisch, du kannst online super kommunizieren. Du kannst Sachen erklären. Ich kannte die philippinische Küche auch nicht so, und wenn die Frage kommt, was ist das, dann kannst du ein Erklärvideo machen und verbreiten, oder entsprechende Fotos.
Bleibt als letzte Frage: Wie kommt ihr zum Namen NEUFNEUF?
Nam Do: Das steht für die 99 aus der Postleitzahl 01099. Den Namen sollte schon das Lokal im Löwen bekommen, um die Verbindung von Hauptstraße und Neustadt zu zeigen.
Barbara Staudenmaier: Das Design hat übrigens Cora Schmelzer gemacht, die nucao mit begründet hat. Inzwischen sind sie nach Leipzig gezogen.
Nam Do: Wir haben fast zeitgleich gegründet, ich das Do, sie zu dritt nucao. Und kamen fast jeden Tag ins Do zum Essen. Das ging dann nicht mehr, sie sind zu schnell gewachsen, da war unser Laden zu klein. Wir sind aber weiter eng verbunden.
Barbara Staudenmaier: Man sieht die Philosophie. Aus Gästen werden Freunde.
NEUFNEUF Bühnen Bistro
Glacisstraße 28
01099 Dresden
Telefon: 0351 79697510
E-Mail: [email protected]
Internet: www.bistro.neufneuf.de
Instagram: neufneuf_dresden
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