Augusto fragt nach … im Café Richter in Schmilka

Sprecherin Livia Thiele über Biobewusstsein, die neu erfundene Wintersaison in der Sächsischen Schweiz und Rückkehrsehnsucht in die Heimat.

Von Marcel Pochanke
Livia Thile vor der Villa Thusnelda, in dem sich das Café Richter direkt am Elbufer befindet.
Livia Thile vor der Villa Thusnelda, in dem sich das Café Richter direkt am Elbufer befindet. © Marcel Pochanke

Das Café Richter befindet sich in Schmilka gleich an der Fährstelle in der liebevoll und denkmalgerecht sanierten Villa Thusnelda. Es wurde benannt nach der Ehefrau des ehemaligen Besitzers, Rudolf Hering. Das Café gehört zum Bio und Nationalpark Refugium Schmilka, das Sven-Erik Hitzer seit 1993 in dem damals verschlafenen und verfallenden Grenzort schuf. Dort treffen wir die Marketingleiterin Livia Thiele mit Blick auf die Elbe. Und so wie der Blick in die Weite geht, dreht es sich im Gespräch schnell um mehr als nur das Café, vor dem wir sitzen.

Frau Thiele, in der Rezeption hängt ein ganzseitiger Artikel der Berliner Tageszeitung über Sven-Erik Hitzer, dem ein großer Teil des Ortes gehört und der in die maroden Gebäude investierte und seine Vision eines biologischen Feriendomizils verwirklichte – und dabei offenbar das Dorf auf seiner Seite hat. Zunächst: Haben diese Geschichten eine Wirkung auf die Buchungen? Merkt man das?
Auf jeden Fall, das ist spürbar für uns. Das Medieninteresse tut uns gut. Und Herr Hitzer hat hier etwas aufgebaut, das ich in meinen 16 Jahren im Ausland so noch nirgends gesehen habe - abgesehen von der Landschaft.

Dann bleiben wir zunächst bei Ihnen. Sie erwähnen Ihre Zeit im Ausland. Immer wieder erzählen leitende Angestellte in der Gastronomie der Region, dass sie nach vielen Jahren in der Fremde ganz bewusst Rückkehrer sind.
Ich glaube nach der Wende gab es diesen Drang, irgendwohin zu gehen. Ich war in Norwegen, Island, Österreich. Nicht, dass man unbedingt weg wollte aus der Heimat, aber Reisen ging einfach nicht und das holte man nach. Man hat die Eingeschränktheit ja auch als Kind gespürt.
Es gab bei uns immer, wenn wir ihn nach langem Anstehen bekamen, einen Brockhaus-Kalender. Das waren Motive aus der ganzen Welt drauf. Das weckte Sehnsüchte. Dazu kam die Arbeitsmarktsituation.

Aber irgendwann...
stellt sich die Sehnsucht nach der Heimat wieder ein. Da habe ich etliche Kollegen erlebt. Ich konnte es mir erst nicht vorstellen, es brauchte den konkreten Anlass, dass Eltern oder Großeltern pflegebedürftig wurden. Wenn nicht jetzt, dann nie, dachte ich. Und ich habe es keine Sekunde bereut. Diese Heimat ist zu alledem noch sehr schön.

Was ist der Reiz, gerade für dieses Haus hier zu arbeiten?
Grundsätzlich die Konsequenz, mit der hier Bio und Ökologie gelebt werden. Nicht nur in der Küche, auch beim Bauen. 100 Prozent auf Nachhaltigkeit zu setzen. Dazu ist die Arbeit extrem abwechslungsreich. Herr Hitzer wird ja nicht müde an Ideen. Er wird als Bio-Pionier bezeichnet, und ja, in gewisser Hinsicht ist er das ja auch.

Welche Veränderungen stehen als nächstes an?
Das hier ist ja ein andauerndes Projekt, auch wenn es sich im Elbtal mit dem Nationalpark im Rücken raummäßig nicht ausdehnen kann. So werden mit den Gewinnen immer weitere Häuser renoviert. Ihm ist es wichtig, das nach den höchsten baubiologischen Standards zu tun. Und dann geht es darum, Erlebnisse zu schaffen. Gerade in der Wintersaison.

Die hier in der Form ein Novum ist?
Es gab hier bis zum Winter 2015/16 keine Wintersaison, nur vereinzelte Übernachtungen. Dann wurde der Betrieb heruntergefahren. Und man stand vor dem Problem, im Frühjahr wieder geeignetes Personal zu finden, was ja ohnehin so eine Sache ist. Es wurde schwieriger von Jahr zu Jahr.

Also im Winter durchziehen.
2016 hat man sich Gedanken gemacht. Ein reiner Bettenverkauf läuft hier nicht, dazu fehlt zum Beispiel die Schneesicherheit. Stattdessen ein Erlebnisangebot - also wurde die Idee des Winterdorfes geboren. Mit dem Badehaus, den Saunen, verschiedenen kulturellen Angeboten.
Gestartet ist es von Januar bis März 2017 als reines Minusgeschäft. Es gab viele Vermarktungsangebote, Rabatte, es kannte ja keiner. Das Winterangebot war aber so erfolgreich (wenn auch nicht finanziell), dass es vom Tourismusverband Sächsische Schweiz aufgegriffen wurde und es seitdem eine eigene Stelle zum Thema Wintersaison gibt. Dass die Sächsische Schweiz eine der Regionen in Deutschland ist, wo der Tourismus am stärksten gestiegen ist, hängt mit der Wintersaison zusammen, die es vorher kaum gab.

Das Ehepaar Hitzer lebt Bio aus Leidenschaft. Das Refugium in Schmilka mit Hotel und Restaurants ist die Konsequenz.
Das Ehepaar Hitzer lebt Bio aus Leidenschaft. Das Refugium in Schmilka mit Hotel und Restaurants ist die Konsequenz. © Andrea Knura/PR


Und abgesehen davon - machen das Biohotel und die Restaurants bei all dem Idealismus Schwarze Zahlen?
So weit ich weiß, ja. Klar erfordern die Maßnahmen immer wieder Kreditaufnahmen, aber wir konnten dabei auch die Zahlen steigern.

Welche Gäste sprechen Sie vor allem an?
Die Öko- und Bioaffinen Menschen machen schon einen großen Teil aus, sind aber nicht alle. Doch sie wissen, dass Bio-Essen und biologisches Bauen, zum Beispiel mit abgeschirmten Stromkabeln gegen Elektrosmog Geld kosten, die diskutieren nicht über die notwendig höhreren Preise. Die anderen Gäste sind die Wanderer, die hier eine Unterkunft suchen.

Und die diskutieren schon mal über die Preise?
Wir sind so mit die höchstpreisigste Unterkunft in der Region. Ja, oft fragen die natürlich erst die Pensionen rundherum ab. Aber wenn sie zu uns kommen, wissen sie das Besondere zu schätzen. Zum Beispiel unsere eigene Brauerei.

Wobei die Bierpreise mit 4,20 Euro für 0,4 Liter vom Fass doch im Rahmen sind…
Ja, dabei ist es schon etwas aufwendiger in der Herstellung. Wir haben eine kleine Gebirgsbrauerei, natürlich alles Bio. Es gibt Pils und das Bernstein, das besonders beliebt ist. Dazu auch auch Dunkles von November bis März und Bio-Bock in Mai und Oktober
 
Bis wohin liefern Sie das Bio-Bier?
Neben den Lokalitäten im Ort auch auf die Restauration der Festung Königsstein und in die Adoratio Schokoladenmanufaktur in Thürmsdorf. Dann gibt es das auch im Deck 16 in Königstein.
Das hat eine eigene Geschichte. Vergangenes Jahr im Sommer wurden wir förmlich überrannt mit Touristen. Da ging das Reisen in Deutschland wieder los. In diesem Jahr war es anders herum. Bevor man innerhalb Deutschlands reisen konnte, durfte man ins Ausland. Es ist absurd.
Letztes Jahr gab es jedenfalls in der Region viel zu wenig Gastronomieplätze. Da kam von Sven-Erik Hitzer, die Idee auf, einen Kulturbiergarten in Königstein aufzumachen. Es ist eine coole, richtig schöne Location. Man sitzt an der Elbe, drüben der Lilienstein, über einem die Festung Königstein, die nach Sonnenuntergang angestrahlt wird. Jeden Abend gab es Kultur, auch mal Schlager, Lesungen, die sehr gut besucht waren. Und Angebote für Kinder. Da wird jedenfalls auch unser Bier ausgeschenkt. Und auf dem Rauenstein, wo für die Baude ein Betreiber gesucht wurde. Da hat Sven-Erik Hitzer die Hand gehoben. Mal sehen, ob es dauerhaft so bleibt.

Also doch recht zahlreiche Verkaufsstellen für eine kleine Brauerei ...
... Und Moritz Hitzer hat ja bei der Frauenkirche in Dresden das Green and Gloria eröffnet, dort gibt es das auch. Die Idee ist im vergangenen November entstanden, als die Weihnachtsmärkte nicht betrieben werden konnten. Sven-Erik Hitzer betreibt ja den Historischen Weihnachtsmarkt vor der Frauenkirche. Und es gab viele Händler, die dafür vorproduziert hatten. Da hat Moritz Hitzer in der Kleinen Kirchgasse ein Lokal mit zwei Etagen angemietet. Unten gab es im To-Go-Geschäft Eierpunsch und Glühwein, oben gab es ein Kaufhaus, etwa mit Bio-Stollen aus Schmilka, handgemachte Süßwaren aus der Bonbonmanufaktur Meister Karamellus in Wehlen, handgefertigten Trinkschokoladen aus der Adoratio Schokoladen-Manufaktur, Erzgebirgische Holzkunst von Spielwarenmacher Günter (die den berühmt gewordenen Drosten-Räuchermann herstellen). Als auch das nicht mehr ging, gab es einen Online-Shop. Wenn man das angesichts der Kürze der Zeit betrachtet, lief das erstaunlich erfolgreich. Nach dem Winter sollte es was Dauerhaftes werden. So ist es jetzt auch. Unten ist es ein To-Go-Restaurant mit einer Organic Super-Food-Bar und hochwertigen Biospeisen. Und oben gibt es regionale Bio-Produkte.

Schmilka hat sich als Winterdorf erfunden - und der Sächsischen Schweiz eine neue Saison beschert.
Schmilka hat sich als Winterdorf erfunden - und der Sächsischen Schweiz eine neue Saison beschert. © Achim Meurer/PR


Bei den vielen regionalen Speisen dort und vor allem hier in den Restaurants in Schmilka - kann das in der Region alles erzeugt werden? So viele Bioproduzenten gibt es nicht ...
So weit wir können, kaufen wir in der Region ein. Bei Aronia in Dresden, beim Ziegenhof Lauterbach, Fleisch und Wurst bei Podemus. Aber es reicht nicht, das stimmt. Gerade für kleine Erzeuger ist es schwierig, eine gewisse Menge zu garantieren.

Das Bio-Angebot - ist das Überzeugung oder vor allem ein Marktsegment, dass Herr Hitzer bedient?
Es ist tiefe Überzeugung, nicht der Markt. Sie selbst haben in der Familie sehr auf Bio geachtet, auch auf Baubiologie. Und gemerkt, dass auf Reisen die Räumlichkeiten fehlten, die ihren Wünschen entsprachen. So ist die Idee entstanden. Die Schritte waren naheliegend.

Nicht so naheliegend ist der Ort Schmilka für Arbeitskräfte. Ist es ein Problem, welche für das eher entlegene Schmilka zu begeistern?
Ja, das ist nicht einfach. Wir haben auch viele tschechische Mitarbeiter. Aber tatsächlich ist es so, dass nach einem Ausfall ein Dresdner Restaurant einfacher etwa auf Studenten zurückgreifen kann. Das ist für uns eine Herausforderung. Auf der anderen Seite kommt ein Großteil der Mitarbeiter extra durch den Biogedanken zu uns und entscheidet sich bewusst für uns.

Wie groß ist der Anteil tschechischer Gäste?
Die haben wir zunehmend. Es ist nicht exorbitant, aber ein wachsender Markt.

Und die Corona-Pandemie dürfte Ihnen, denen das Winterangebot so bedeutend ist, besonders zugesetzt haben?
Ja, vor allem weil für Sven-Erik Hitzer jeder Geschäftszweig betroffen war. Gastronomie, Hotels, Märkte. Aber wir sind auch krisenerprobt, durch die zahlreichen Hochwasser. Hitzer ist ein Stehaufmännchen, einer, der nicht aufgibt. Und es gibt Menschen in den Firmen die auch mitziehen.

Wie ist die Buchungslage für den bevorstehenden Winter?
Richtig gut. Im Sommer waren wir quasi ausgebucht. Die Wintersaison ist für uns vom Marketing das Hauptaugenmerk, da ist unter der Woche noch ordentlich Luft. Aber im Vergleich zu 2019 sind wir sehr gut gebucht. Man merkt, die Menschen wollen raus.

Macht Ihnen die drohende Möglichkeit einer 2G-Regelung Sorgen?
Für die Märkte, die Hitzer betreibt, schon. Für Schmilka weniger. Wir gehen davon aus, dass das vielen bei der Buchung bewusst ist und sie entsprechend vorbereitet sind. Und das Café Richter und die Mühle haben ein großes To-Go-Angebot, das hilft uns im Zweifel auch.Wir sind nicht so leicht unterzukriegen
 

Café Richter

Kaffeehaus, Bistro-Restaurant und Tortenmanufaktur

im Bio- & Nationalpark Refugium Schmilka
Schmilka Nr. 11
Bad Schandau OT Schmilka

Telefon: 035022 913 0
E-Mail: [email protected]
Internet: www.schmilka.de

Das urige Innenleben vom Caf´é Richter in der Villa Thusnelda.
Das urige Innenleben vom Caf´é Richter in der Villa Thusnelda. © Refugium Schmilka/PR

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