Augusto fragt nach … beim Barceloneta in Dresden

Wein & Tapas Bar-Inhaber Michael „Miguel“ Matthes über das Verhältnis von Genuss und Didaktik beim Speisen und die besondere Funktion des Weines.

Augusto fragt nach … bei der Wein & Tapas Bar Barceloneta in Dresden
Miguel vor dem kleinen, aber feinen Barceloneta in der Dresnder Alaunstraße. © Barceloneta/PR

Die Wein & Tapas Bar Barceloneta in der Dresdner Neustadt bietet ein umfangreiches Angebot an Tapas & Wein. Und setzt dabei auf höchste Ansprüche: Genuss durch Nachhaltigkeit und Wissen. Das Weinangebot gliedert sich nach Rebsorten, besteht vor allem aus spanischen Rotweinen, aber auch Sherry, deutscher Riesling und viel Sauvignon Blanc sind vertreten. Bei den Tapas setzt Inhaber und Geschmackstüftler Miguel, soweit möglich, bei der Auswahl der Zutaten auf Nachhaltigkeit. Dabei werden spanische Traditionen mit eigenen Ideen verschmolzen.

Stil und persönlicher Service werden groß geschrieben.
Stil und persönlicher Service werden groß geschrieben. © Barceloneta/PR

Herr Matthes, lassen Sie uns zunächst über das Unternehmen Winehead sprechen, das hinter der Wein & Tapas Bar Barceloneta steht. Mit einer eigenen Weinkollektion – und das alles für dieses relativ kleine Lokal in der Dresdner Neustadt?
Die Wein & Tapas Bar Barceloneta ist meine jetzige Basisstation. Ich arbeite schon sehr lange in der Gastronomie, seit den frühen 90er Jahren. Angefangen habe ich am Kudamm in Berlin, gleich neben dem Kempinski Hotel. Ich hatte schon damals den Anspruch: Wenn man etwas macht, dann mit profundem Wissen. Ich bin Quereinsteiger, habe nie eine Gastronomieschule oder -Ausbildung, von Fortbildungskursen an der Tourismusschule Valencia, dem Titel Sommelier und dem Master in Weinherstellung, Sensorik und Marketing einmal abgesehen, besucht.
Und so hatte ich oft Gäste, die deutlich mehr kulinarische Erfahrung hatten als ich. Dem bin ich mit Neugier, mit Fachliteratur und vielen Flaschen Wein begegnet. So konnte ich bald dem Anspruch entsprechen, die sensorische Wirkung von Lebensmitteln zu verstehen, um dieses Wissen dann hinaus in die Welt zu tragen. Denn dieses war die Ur-Idee zu Winehead: Genuss durch Wissen. Deshalb habe ich später in Valencia zum Beispiel acht Jahre lang eine Sensorik Schule für Laien und Fachleute betrieben und war für die Universität Jaime I in Castellón als Dozent für Weinanbau, Weinherstellung, Sensorik und Marketing tätig.
 
Die zweite Phase des Projekts Winehead war die Zusammenstellung der Winehead Selection Weine und ist mit der Fertigstellung des aktuellen Sortiments (fünf Weiß- und vier Rotweine) jetzt erstmal abgeschlossen. Durch meine langjährigen Kontakte mit Winzern konnte ich bestimmte Parzellen, einzelne Gärtanks oder auch Fässer auswählen, bei der Vinifizierung beratend zur Seite stehen und die Weine dann exklusiv abfüllen. Zudem berate ich Winzer, vor allem wenn es um die sensorische Feinabstimmung bei Cuvées geht.
Diese Weine dienen nicht nur dem Genuss, sie sind auch als Transmissionswerkzeug für die Wissensvermittlung konzipiert.
 
Nun beginnt Phase drei, der weltweite Vertrieb an ausgesuchte Kunden, die das Besondere zu schätzen wissen. Ich greife dabei auf vorhandene Vertriebsstrukturen von Partnern zurück. Aktuell laufen Gespräche in Australien und Frankreich, Spanien ist gesetzt, demnächst auch in Italien und mit den slawischen Nachbarn der EU.

Verraten Sie uns Ihren gelernten Beruf?
Ich bin ausgebildeter Kaufmann.

Aber der Wein ist das Wichtigste – und sehr komplex.
Von den Caprice de Dieux das wichtigste, ja. Wein ist das komplexeste vom Menschen hergestellte Getränk. Die bewusste Analyse der Aromen, von Geschmack und Haptik mit den Sinnesorganen stellt deshalb eine große Herausforderung dar. Dafür steigert die Fähigkeit, empfangene Reize zu erkennen, zu identifizieren und ihrer Herkunft zuzuordnen, Genuss und Selbstvertrauen. Sie ist eine kulturelle Errungenschaft und bedarf der Ausbildung, der wiederholten Kalibrierung und des kontinuierlichen Trainings.
 
Sie kommen als Quereinsteiger und bringen Menschen etwas über Wein bei?
Ja, da ich selbst früh Wissen als Genuss fördernd erkannt habe, war ich entsprechend motiviert. Wenn Gäste unsere Tapas loben, kommt oft nicht mehr als „lecker“. „Wenn Sie so arbeiten würden, wie Sie verkosten, wären Sie in Ihrer Firma immer noch Wasserträger“, sage ich dann im Scherz zu meinen Gästen.
Mario Kotaska, von Mein Lokal - Dein Lokal, der hier im Barceloneta war, hat mich den „Geschmacksprofessor“ genannt. Der Mensch hat mit Zunge und dem Mundraum sieben verschiedene, mit hochsensiblen Sinnesorganen ausgestattete Flächen. Wenn man sich mit diesem sensorischen Potenzial einmal auseinandersetzt …

In dem Lokal ist der Wein allgegenwärtig. Man kann die guten Tropfen auch für zu Hause kaufen.
In dem Lokal ist der Wein allgegenwärtig. Man kann die guten Tropfen auch für zu Hause kaufen. © Barceloneta/PR

In Ihrer Zeit in Spanien haben Sie sich in Miguel umbenannt?
Ja. In Valencia konnte keiner mit meinem deutschen Vornamen etwas anfangen. Inzwischen ist das mein Künstlername.
 
Sie haben unter anderem sonntags geschlossen …
Ich werde bald 62, brauche dringender meine Pausen. Auch hochmotivierte Gastronomen sind nur Menschen… So haben wir jetzt Sonntag und Montag geschlossen. Ich suche aber Mitarbeiter, die mich im Barceloneta vertreten können und mich auch bei den Vertriebsaktivitäten von Winehead unterstützen.

Sie sind immer vor Ort im Barceloneta?
Ja, so gut wie. Stichwort: selbst & ständig. Unsere Karte fordert den Gast heraus: da braucht es Fachwissen und Beratung. Die Karte ist eine Komposition, deren Komplexität der gekonnten Interpretation bedarf. So passe ich unser Angebot an die Erwartung der Gäste an.
 
Wie kommt ein Berliner über Spanien in die Dresdner Neustadt?
Nach Dresden hat es mich aus beruflichen, nicht gastronomischen, Gründen verschlagen. Und als Gastronom in die Neustadt? In Spanien war ich es gewohnt, dass Gäste, die ein bestimmtes Lokal besuchen wollen, dafür auch extra anreisen. So war der Standort für mich erst einmal nicht relevant. Aber ich musste lernen, dass Dresden auf besonderem Pflaster steht. Nach sieben Jahren haben wir aber unser Stammpublikum und eine deutschlandweit von der Fachzeitschrift Vinum mit vier, von fünf möglichen Sternen, prämierte Weinkarte. Damit stehen wir in Sachsen an der Spitze. Nur Silvio Nitzsche - fünf Sterne - von der Weinkulturbar in Dresden-Striesen steht noch vor uns.

Wie wird diese Rangliste ermittelt?
Man schickt die Karte ein, wobei die Bewertungskriterien auch hier intransparent, weil nicht einsehbar, sind. Zum Beispiel haben wir nach vier Sternen 2019 und 2020 in diesem Jahr nur drei Sterne bekommen, für genau die gleiche Karte. 
Unsere Karte ist nach Rebsorten gegliedert und zeichnet sich unter anderem durch didaktische Elemente aus. So haben wir in die Karte mehrere Diagramme zum Verständnis von Herstellung und Genuss von Wein integriert. Dies wird von unseren Gästen auch besonders gewürdigt.
Zu erwähnen ist auch das Preissegment; es ist im unteren und mittleren Segment angesiedelt. So liegt der Preiseinstieg für ausgesuchte Weine, bei denen die Leistung ganz klar den Preis schlägt, bei 6€/0,2l. Einen Weltklasse Riesling aus einer Steillage an der Mosel bekommt man bei uns schon für 7,50€/0,2l.
 
Wie ging und geht es Ihnen in der Corona-Zeit?
Die Hilfen waren für einen Betrieb unsere Größe ausreichend; und weltweit wohl einzigartig. Die Corona-Pandemie haben wir als Herausforderung verstanden, die uns Anlass und Zeit zur Reflexion geboten hat. Die vorherrschende Methodik menschlichen Schaffens, höher, schneller, weiter, stößt sich an der Belastbarkeit unserer Umwelt. Die Plünderung des Planeten fordert ihren Tribut.
Aktuell schauen wir nachdenklich-optimistisch in die Zukunft. Die Umsätze haben Vor-Corona Niveau erreicht. Das Jahr 2020 jedoch wird uns, bedingt durch geschlossene Grenzen, allerlei Restriktionen und den dadurch konditionierten Reiseverkehr, trotzdem als Jahr der Umsatzrekorde in Erinnerung bleiben.
 
Und die Veranstaltungen sind Corona zum Opfer gefallen?
Alle. Aber jetzt geht es in kleiner Runde wieder los. Zum Beispiel bieten wir am 10. November im Barceloneta ein Tapas Menü mit dem Gewürzsommelier Franz von Bingen aus Chemnitz an.
 
Wie groß schätzen Sie den Anteil der Dresdner unter den Gästen?
Ich schätze ca. drei Viertel, davon 40 bis 50 Prozent Stammgäste.

Sie erwähnen auf Ihrer Karte und Webseite explizit, dass Sie auf Fleisch aus Massentierhaltung verzichten und auf Nachhaltigkeit Wert legen.
Genau. Ich lese den Spiegel, seit ich 16 bin. Da konnte man schon in den späten 70ern über die skandalöse Geflügelhaltung lesen: Stichwort Hühnerbaron Pohlmann. Ich habe schon damals beschlossen, kein Hühnerfleisch mehr zu kaufen. Auch konnte jeder, sofern er denn wollte, seit Ende der sechziger Jahre wissen, wie sich die Lebensweise des Menschen auf die Umwelt des Planeten auswirken würde. Hier heißt das Stichwort: Club of Rome.
Ich habe mich also nach Alternativen umgeschaut, es gibt jetzt Wildschwein und Fasan. Auch das iberische Schwein aus Spanien ist vertreten und Fische aus der Teichwirtschaft Ringpfeil in Wartha/Sachsen. So nachhaltig es eben geht.

Eine Spezialität von der Tapas-Karte: Karamellisierter Ziegenkäse nach einer Idee von Miguel.
Eine Spezialität von der Tapas-Karte: Karamellisierter Ziegenkäse nach einer Idee von Miguel. © Barceloneta/PR

Wie würden Sie als Wein-Erklärer die sächsischen Weine aus der Region einschätzen?
Eine kleine Anbaufläche trifft auf hohe Nachfrage, dadurch ist die Notwendigkeit, das ganze Potential aus dem Weinberg in die Flasche zu bringen, nicht unbedingt gegeben. Außerdem treibt Knappheit den Preis.
Inzwischen gibt es aber durchaus gute Nachrichten: Enrico Friedland in Radebeul und Karsten Lindhardt in Pillnitz haben es beide mit je drei positiv herausragenden Weinen auf unsere Weinkarte geschafft.
 
Welche Zukunftspläne gibt es für das Barceloneta und für Winehead? Wohin geht die Entwicklung?
Erstmal gilt es, die herausragende Position der Wein & Tapas Bar Barceloneta unter Sachsens Weinlokalen auszubauen sowie die Weine der Winehead Selection und das Bildungsangebot von Winehead bekannter zu machen.
Zum anderen müssen wir uns, und wollen das auch, den Herausforderungen der Zukunft stellen: die demographische Entwicklung und die kommende Anhebung des Mindestlohns.
Die demografische Entwicklung zwingt uns, die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie weiter zu verbessern, also beispielweise Arbeitszeiten sozial verträglicher zu gestalten. Die Anhebung des Mindestlohns finde ich grundsätzlich richtig, denn ein großer Teil des deutschen Niedriglohnsektors ist in der Gastronomie zuhause.
All das bedeutet aber, dass wir uns, wie übrigens auch die Gäste, umstellen müssen. Wir werden Öffnungszeiten anpassen, Wochenendtarife und Reservierungsfenster schaffen müssen. Auch werden wir um eine signifikante Erhöhung der Preise nicht herumkommen. Und das wiederum geht nur über Qualität. Vielleicht muss ich die Karte noch verschlanken um noch mehr auf Hochwertiges zu setzen. Ob das funktioniert, wird sich dann zeigen.

Auch die "Gegrillte Aubergine mit Walnüssen und Käsespänen" hat Miguel als Ergebnis seiner Erfahrungen in Spanien selbst kreiert.
Auch die "Gegrillte Aubergine mit Walnüssen und Käsespänen" hat Miguel als Ergebnis seiner Erfahrungen in Spanien selbst kreiert. © Barceloneta/PR

Barceloneta Wein & Tapas Bar, Vinothek
 
Alaunstraße 27
01099 Dresden
 
Telefon: 0351 2063 7981
Internet: www.barceloneta-dresden.de

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