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Augusto fragt nach… im Anno Domini in Dresden-Klotzsche

Mario Zichner spricht über sein Restaurant, in dem man mit allen Konsequenzen ins Mittelalter versetzt wird.

Von Marcel Pochanke
Mario Zichner schenkt am liebsten in Krügen aus.
Mario Zichner schenkt am liebsten in Krügen aus. © PR/Anno Domini Klotzsche

Das heutige Anno Domini in Dresden-Klotzsche war schon zu DDR-Zeiten etwas Besonderes: Eine Pizzeria mit Steinofen. Nach der Wende wurde eine Scheune abgerissen, und die Inhaber-Familie Zichner entschied sich, etwas noch Spezielleres hinzubauen: Ein Mittelalterrestaurant, das es so weit und breit nicht gab und gibt. Mit aller Konsequenz, wie man sich beim Besuch überzeugen kann. Oder im aktuellen Gastro-Gespräch lesen. Wir treffen Mario Zichner, der das Haus 2013 von seinen Eltern übernahm, in der Klotzscher Sommerwirtschaft, dem Biergarten, der örtlich zum Anno Domini gehört, aber zeitlich ins Heute: Man trinkt sogar aus Gläsern.

Herr Zichner, die Pandemie ist schon für das 21. Jahrhundert eine Riesenherausforderung. Wie geht es da erst im Mittelalter?
Geschäftlich geht es wie bei jedem anderen auch. Die, die vorher ehrlich gewirtschaftet haben, sage ich immer, kommen durch. Anders ist es mit den Tieren gewesen. Wir hatten Esel und Ziege, die es gewöhnt waren, im Gastraum zu sein mit vielen Menschen. Als die fehlten, war der Esel irgendwann wie entfremdet. Er fing an zu beißen, weil ihm der dauerhafte Kontakt zu den Menschen fehlte. Wir mussten uns von ihm trennen, jetzt lebt er auf einer Schaftweide und hält die Wölfe fern. Es ist unglaublich, wie das klappt. Dafür haben wir jetzt ein Shetland-Pony und eine Kuh gekauft. Die war aber offenbar älter als die elf Monate, die in den Papieren standen … Jetzt ist ein Kälbchen dazugekommen.

Die Corona-Hilfen flossen bei Ihnen nicht gleich …
Die erste Runde Corona-Pause ging, da hatten wir Rücklagen. Die zweite war dann unheimlich kompliziert. Dann habe ich dieses Video gemacht, das ging viral. Und direkt danach haben wir die Hilfen gekriegt. Was um das Video dann aber abgegangen ist, reicht für ein Buch.

Haben Sie es mit Außer-Haus-Verkauf probiert?
Nein, das haben wir bewusst nicht. Zum Einen, weil es bei den Hilfen sofort prozentual angerechnet wird. Und wenn wir Mittags fünf Essen verkaufen, lohnt sich das nicht. Außerdem ist es das Ambiente, das uns ausmacht. Die Menschen kommen ja her, um das hier zu erleben. Allerdings, das Essen für die Obdachlosen, das haben wir weiter zweimal in der Woche gekocht. Dafür bin ich in Rom sogar zum Malteserritter geschlagen worden. Man kann gut verdienen, aber man muss auch zurückgeben. Man weiß nie, wie es einem selbst mal geht. …

Ihr schreibt über das Haus, dass man auch Löffel teilt und den Suppentopf sowieso. Ist Ihr Erlebniskonzept unter Corona-Bedingungen besonders schwer?
Bei uns wird getafelt. Da sitzen viele Gruppen zusammen. Und das konnten wegen der Abstandsregeln nur noch 80 statt 140 Menschen sein. Klar ist das Restaurant so angelegt und kalkuliert. Aber im Großen und Ganzen hat es funktioniert.

Waren nach dem Lockdown, um es mit Ihrer Sprache zu sagen, die Bäuche entsprechend hungrig, die Kehlen durstig?
Na sicher. Die Leute sind ausgehungert nach Erlebnissen, Unterhaltung, gutem Essen, kalten Getränken. Und wollen wirklich mal wieder was Anderes als das Essen von Muttern, so gut es auch sein mag.

Wann gibt es wieder die „Gaukeley“?
Ab September im Restaurant, jetzt sind die Leute lieber draußen im Biergarten. Dann gibt es freitags und sonnabends Livemusik. Mittelalterlich: Schalmeien, Trommeln, Lauten.

Dass Gabeln, wie es auch geschrieben steht, ganz verboten sind – wie streng ist das?
Komm, zeig ich Ihnen.
Im Gasthaus, das mit Kerzen statt elektrisch beleuchtet wird und voller Holzbänke und -Tische steht, öffnet Mario Zichner einen alten Schrank, holt Holzmesser und -Löffel raus.
Damit wird gegessen. Das kann man hinterher auch mit nach Hause nehmen.

Dazu würde es ja passen, dass hier auch Handys verboten sind.
Haben wir! „Wenn das Teufelszeug Geräusche macht, schlag ich’s tot“, steht am Eingang. Schon hier im Biergarten, wenn da vier am Tisch sitzen und jeder schaut nur auf sein Ding, gibt’s von mir schonmal einen Spruch.
Als ich das Gespräch beenden will, weist mich ein Stammgast hin: „Sie müssen ihn danach fragen!“ und deutet auf einen Platz im Hof – eine Bar.

Das mache ich. Was hat es damit auf sich?
Unsere neue karibische Cocktail-Bar! Während der Corona-Pause mussten wir was machen. Da haben wir Sand hergeholt und die Bar aufgebaut. So etwas gibt es hier in der Ecke sonst nicht. Sie wird gerade von den Leuten aus der Umgebung gern angenommen.

Wie sieht die weitere Zukunft der Vergangenheit aus? Gibt es noch Pläne?
Die Leute sind bereit, für gute Qualität auch Geld auszugeben. Wir ziehen weiter unser Konzept gnadenlos durch. Im Anno Domini gibt es keine Cola, keine Kartoffeln, weil es die auch im Mittelalter nicht gab. Ich sehe sonst der Sache positiv entgegen.

Blick in die Gaststube - rustikal, wie es sich gehört.
Blick in die Gaststube - rustikal, wie es sich gehört. © PR/Anno Domini Klotzsche
Typische Tafel im Anno Domini.
Typische Tafel im Anno Domini. © PR/Anno Domini Klotzsche
Passt zum Thema - der Herd aus dem Mittelalter.
Passt zum Thema - der Herd aus dem Mittelalter. © PR/Anno Domini Klotzsche

Schankhaus Anno Domini
Klotzscher Hauptstraße 27
01109 Dresden-Klotzsche
Telefon: 0351 8804570
E-Mail: [email protected]
Internet: www.annodomini.de
Facebook: https://www.facebook.com/restaurant.annodomini (hier gibt es auch das berühmt gewordene Video vom 7. Januar 2021 zu sehen)
Parkplätze gibt es direkt vor dem Grundstück.
ÖPNV: Straßenbahnlinien 7 (Haltestelle Infinion Nord) oder 8 (Haltestelle Am Hellerrand)

Alle Interviews mit Gastronomen im und nach dem Lockdown finden Sie hier.

Weitere Restaurants finden Sie im Augusto Restaurantfinder.