Augusto fragt nach... beim Singt-Pauli-Chor Dresden

Chorleiter Clemens Weichard spricht über einen vorweihnachtlichen Zwiespalt, über verantwortungsvolles Verhalten von Chören in der Pandemie und den sehnlichen Wunsch, endlich wieder Musik machen zu wollen. Und: wie sich beides womöglich verbinden lässt.

Von Marie-Luise Redlich
Clemens Weichard
Clemens Weichard, Leiter des Singt-Pauli-Chores Dresden © Clemens Weichard

Noch bevor am 22. November neue Corona-Regelungen wirksam wurden, hatte der Singt-Pauli-Chor Dresden seine Probentätigkeit schweren Herzens eingestellt. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war vor allem die aktuelle soziale Debatte, aber auch die Haltung der ChorsängerInnen selbst. Ehe das offizielle Verbot von Chorproben absehbar war, hatte sich Leiter Clemens Weichard noch ein Konzept für die Vorweihnachtszeit überlegt: „Damit wir bis zur letzten Sekunde darauf eingestellt wären, doch noch Musik machen zu können.“

Herr Weichard, unser letztes Gespräch ist nun drei Wochen her und seitdem hat sich einiges verändert – vor allem, dass Proben nun gar nicht mehr möglich sind. Wie sieht es denn ganz aktuell bei den Singt-Paulis aus?
Wir haben gerade noch einen Auftritt abgesagt – zum „Adventstürchen“ im Hechtviertel, das wäre am 7. Dezember gewesen. Ich war eher gegen den Auftritt, habe dann aber mit dem Hechtverein telefoniert. Und da gab es schon schöne Argumente für einen Auftritt: dass man auf die Straße gehen kann; dass man darauf hinweist, dass der Abstand eingehalten wird; dass man ja irgendwie etwas „machen muss“.

Wie hat sich der Chor denn dazu positioniert?
Ich habe sechs [Anm.: SängerInnen] nach ihrer Meinung gefragt. Und habe ein halbentschiedenes, ansonsten fünf eindeutige Statements bekommen: „Nein, das können wir nicht machen.“ Und zwar nicht, weil nicht der Wunsch besteht, zu singen, aufzutreten, Weihnachten irgendwie wieder zu erleben und den Menschen etwas zu geben. Sondern weil zum einen die Sorge ist, dass innerhalb dieser Abendveranstaltung was passiert. Dass das Publikum vielleicht gedrängter dasteht, als es sollte. Dass dann doch jemand uns vielleicht anspricht – das ist jetzt mein Gedanke. Der Hechtverein kann in dieser Angelegenheit natürlich nicht die Verantwortung tragen und muss das an die Ensemble weitergeben. Das läge also in unserer Verantwortung. Egal, was da passiert.

Ich erinnere mich, dass Sie bereits bei unserem letzten Gespräch von einer „sozialen Debatte“ sprachen…
Es geht auch – und das ist ein sehr starkes Argument – um eine Vorbildfunktion. Dass man insbesondere dann, wenn man etwas macht, das infektionstechnisch sehr kritisch ist – wie eben das „gesungene Wort“ – dass man da nicht versuchen möchte, die Hemmschwelle zu senken. Sondern es so zu akzeptieren, wie es ist. Das ist eben die Situation, in der wir sitzen und jetzt kann man nur das Beste daraus machen. Und das ist, bei einer Inzidenz von 1000, zu verzichten, wo es eben geht. Und das Weihnachtsgefühl anders herzustellen.

Wie kann das denn gelingen – Weihnachtsgefühl anders herstellen?
Ich habe das jetzt chorintern so gemacht, dass ich mir zwei bis drei Chorsätze nehme. Ich habe mich gestern nochmal ans Klavier gesetzt und „Guten Abend, schön’ Abend“ gespielt, drei Strophen durch mit bisschen Zwischenspiel, und gesagt: „Hey, wenn ihr Bock habt: Singt einfach die drei Strophen dazu, macht euch dieses Video an“ – Youtube, private Playlist, dass es nur mein Chor sieht – „und wenn ihr Lust habt, singt die Melodiestimme oder eben etwas anderes, was euch einfällt. Was zur Harmonie passt.“ Und dann kann ich das nächstes Wochenende an mich nehmen, noch ein paar Stimmen dazu singen. Und dann ist das so ein gemeinsames Projekt. Das sind dann meine typischen „A cappella Multi-Track“-Sachen, was wir so jetzt auch noch nicht hatten.

Gibt es noch andere digitale Ideen?
Die andere Idee ist, dass ich wirklich einen fertigen Satz schicke und sage: Singt bitte eure eigene Sopran-/Alt-/Tenor-/Bassstimme – und daraus wird dann der virtuelle Chor zusammengesetzt.

Was denken Sie, wie der Chor das annimmt?
Ich denke, für den Chor ist das auch mal sehr spannend, wenn ich da mal etwas mehr „reingreife“. Aber ich weiß auch nicht, ob jetzt bis zum Wochenende etwas zurückkommt für diesen „Guten Abend, schön’ Abend“-Gedanken.

Ist noch etwas Besonderes geplant für die Vorweihnachtszeit?
Vermutlich wird es noch vor Weihnachten eine Art Weihnachts-Stream geben, wo ich mich ans Klavier setze, Laptop und Mikrofon anmache und alle einlade, einfach mit meiner Stimme und dem Klavier dazu zu singen. So für vier, fünf Lieder ist das auch mal was sehr Schönes. Das ist so aktuell die Variante und die Gedanken, die wir uns dazu gemacht haben.

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