Augusto fragt nach... bei der Singakademie Dresden

Mitten in der Pandemie übernimmt Michael Käppler die neue Leitung der Singakademie Dresden - ein herausfordernder Start in ein neues Amt.

Von Marie-Luise Redlich
Michael Käppler Profilbild
Seit März 2021 ist er der neue künstlerische Leiter der Singakademie Dresden: Michael Käppler. © H.L. Boehme

Eine Pandemie allein ist schon schwierig genug für die vielen Chöre, die sich seit Monaten mit Digitalproben über Wasser - und auf Abstand - halten müssen. Besonders herausfordernd gestaltet sich unter diesen Umständen dann noch ein zusätzlicher Wechsel der künstlerischen Leitung. Michael Käppler berichtet, wie er und seine SängerInnen sich trotz Corona neu zusammenfinden und sogar neue technische Raffinessen der Chorarbeit erkunden konnten.

Herr Käppler, seit November sind alle Laienchöre von einem Probenverbot betroffen. Wie ging es seitdem mit der Singakademie weiter? Völliges Pausieren, Digitalprojekte, …?
Nein, wir haben nicht völlig pausiert. Wir haben mit dem großen Chor durchgängig jeden Montag weitergeprobt, über Zoom, was ja viele anwenden. Ich nenne das gern ‚betreutes Üben‘: Ich spiele vor, die stummgeschalteten Teilnehmer können mitsingen. Das Problem ist natürlich, dass ich nicht hören kann, wie der Leistungsstand auf der anderen Seite ist. Es dient eher dazu, den Kontakt zu halten. Und es dient auch dazu, ein Programm, das im März aufgeführt werden soll, ‚wachzuhalten‘. Das funktioniert ganz gut, wenn man auf etwas aufbauen kann, das schon in Präsenz geprobt wurde. Mit dem kleineren Kammerchor haben wir jetzt aber auch damit begonnen, mit Jamulus zu arbeiten.

Was ist das denn, Jamulus?
Bei diesem Programm besteht der Vorteil, dass man sich gegenseitig hören kann, wenn auch zeitversetzt und in sehr unterschiedlicher Qualität. Aber es schafft ein kleinwenig das Gefühl einer gemeinsamen Probe. Und ich kann wenigstens etwas einschätzen, inwiefern Passagen sicher sind. Der Nachteil ist dort aber wiederum die enorm aufwändige Einrichtung. Letzens hatten wir eine Probe, da mussten wir eine Stunde lang einrichten, um dann eine Stunde lang zu singen. Und nach dieser Stunde ging es trotzdem noch nicht bei allen.

Damit haben Sie auch gleich beantwortet, warum Sie Jamulus nicht ausschließlich nutzen, obwohl man sich dabei hören kann…
Wie gesagt, die Einrichtung ist sehr aufwändig. Ich habe sogar eigens ein Video-Tutorial erstellt, in dem ich erstmal die ganze Installation zeige. Das ist kein Programm, das man installiert und das dann einfach läuft. Bisher nutzen wir das nur mit 10 bis 15 Leuten, quasi einem kleinen Projektchor. Das sind all diejenigen, die überhaupt die ‚Technik-Schwelle‘ überwinden konnten.

Wie sieht es denn bei den Onlineproben des großen Chores in punkto Beteiligung aus?
Insgesamt gut. Ich würde sagen, mindestens zwei Drittel der normalen Besetzung sind mit dabei. Es gibt aber auch einige, die sagen, eine Digitalprobe macht sie eher noch trauriger, als wenn sie gar nicht proben.

Wie ist aktuell die Stimmung im Chor? Ist das über Zoom und Co überhaupt wahrnehmbar?
Tatsächlich ist die Stimmung schwer wahrzunehmen. Wir haben schon reagiert und die Zoomproben auf einmal wöchentlich reduziert. Mein Eindruck ist: Die Motivation für zwei Wochenproben, wie wir das sonst früher hatten, die kann aktuell nicht aufrechterhalten werden. Grundsätzlich tritt zwar eine gewisse Gewöhnung ein – ich würde nicht von Aversion gegen Digitalproben sprechen – aber es gibt eben auch Frustration.

Vorhin sprachen Sie bereits von einem Konzertprogramm für März. Was ist denn – wenn Corona es zulässt – geplant, wofür wird geprobt?
Für Ende März 2022 ist das Abschiedskonzert von Ekkehard Klemm, dem bisherigen künstlerischen Leiter der Singakademie, geplant. Das Programm hatten wir glücklicherweise schon in Präsenz erarbeitet, aber wir gehen auch davon aus, dass wir im Februar wieder richtig proben können. Sonst wird das Konzert so nicht möglich sein. Wir haben auch Ausweichpläne – Verschieben des Konzertes zum Beispiel, und dafür ein anderes ausfallen lassen. Man arbeitet viel mit Optionen.

Die große Besetzung der Singakademie, unter dem vorherigen langjährigen Leiter Ekkehard Klemm (ganz rechts).
Die große Besetzung der Singakademie, unter dem vorherigen langjährigen Leiter Ekkehard Klemm (ganz rechts). © Anna S. und Singakademie Dresden

Wäre ein solcher Ausweichplan auch das Proben im Freien? Viele Chöre haben das in den vergangenen Monaten ja genutzt.
Wir haben das mal erwogen, im letzten Jahr. Meine Meinung ist, dass Outdoor-Proben bei uns wenig effizient sind, wenn man sich dann nicht ordentlich hört. Wir haben es im Hinterkopf, falls es die einzige Möglichkeit für Präsenzsingen werden sollte. Aber mit etwa 60 Leuten ist das allein logistisch eine Herausforderung.

Herr Käppler, die künstlerische Leitung der Singakademie haben Sie im März 2021 übernommen – also mitten im Pandemiejahr. Wie haben Sie es erlebt, einen Chor in dieser ‚chaotischen‘ Situation neu zu übernehmen?
Ich würde sagen: vor allem herausfordernd. Bis auf die kurze Zeit im Bewerbungsverfahren hatte ich ja noch nicht richtig mit den SängerInnen gearbeitet. Das ist natürlich nicht unbedingt der Start, den man sich vorstellt. Was ich jedoch toll fand, war das Engagement der Mitglieder, das zuverlässige Dabeisein. Eine Begeisterung, die selbst vor Proben am Rechner nicht Halt machte. Das fand ich beeindruckend und es half mir auch über eigene kleine Motivationstiefs hinweg. Auch das Feedback des Chores, das ich immer mal bekomme, à la: „Es ist zwar gerade blöd, aber macht mir trotzdem viel Spaß“.

Würden Sie sagen, dass Sie und der Chor sich mittlerweile richtig kennenlernen konnten? So ein Leiterwechsel bedarf ja immer einer gewissen ‚Aufwärmphase‘.
Doch, würde ich schon sagen. Auch, wenn wir – die ganzen Pausen einmal abgezogen – insgesamt ja nur vier oder fünf Monate wirklich gemeinsam arbeiten konnten. Aber da hat sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt und ich hoffe einfach, dass es bald mehr Kontinuität und Stabilität geben wird. 

Gibt es noch etwas, dass Ihnen bei der Arbeit mit der Singakademie aktuell besonders am Herzen liegt?
Wir haben ein – aus meiner Sicht sehr cooles – Projekt in Vorbereitung für November 2022, mit dem Titel „Glaubenskunst – Kunstglaube“. Es wird darum gehen, wie Komponisten religiöse Themen musikalisch verarbeitet haben, aber auch, inwiefern Kunst als Ersatzreligion gedient hat. Richard Wagner wird im Konzert eine Rolle spielen. Wir werden aber auch eine Komposition mit künstlicher Intelligenz, auf Wagnerscher Grundlage, uraufführen. Wir haben seit letztem Jahr eine Kooperation mit der TU Darmstadt und deren KI-Zentrum und stehen in Austausch. Das wird noch eine spannende Sache werden!

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