Augusto fragt nach... bei der Meißner Kantorei 1961

Seit der Chorgründung 1961 sind nun 61 Jahre vergangen - und mindestens 61 weitere Jahre sollen es werden.

Von Marie-Luise Redlich
Bernhard Vetter, Vorstand bei der Meißner Kantorei 1961
Bernhard Vetter, Vorstand bei der Meißner Kantorei 1961 © http://davidnuglisch.de

Aus ganz Sachsen - und darüber hinaus - fügt sich die Besetzung der Meißner Kantorei 1961 zusammen. Verbindendes Element ist die Begeisterung der engagierten SängerInnen für ein besonderes musikalisches Feld: zeitgenössische geistliche Chorliteratur. Worin der Reiz gerade dieser Stilistik liegt und was man als Konzertbesucher erwarten kann, hat uns Vorstandsmitglied Bernhard Vetter im Gespräch erzählt.

Der Name „Meißner Kantorei 1961“ lässt ein wenig Entstehungszeit und -ort des Chores ahnen. Welchen genauen Hintergrund hatte die Chorgründung damals?
Genau, der Ursprung liegt in der Meißner Kantorei und im Jahr 1961. Der Chor entstand damals auf Initiative des damaligen Dom-Kantors Dr. Erich Schmidt, der eine Gruppe engagierter und versierter SängerInnen suchte, um das Werk Lux in tenebris aufzuführen. Das war damals der „Startschuss“ und Impuls, daraus einen eigenständigen Chor zu gründen, der den Fokus auf zeitgenössische geistliche Chormusik richtet. Letztes Jahr hatten wir unser großes 60-jähriges Jubiläum.

Kommen die SängerInnen jetzt alle aus dem Einzugsgebiet Meißen?
Unter der Leitung des Domkantors war Meißen zunächst das Zuhause des Chores. Dann gab es verschiedene Wechsel, und mittlerweile sind wir in Dresden-Strehlen beheimatet. Unsere Choristen kommen vor allem aus Sachsen – aus Dresden, Leipzig, Zittau, Zwönitz… Aber auch darüber hinaus - eine Sängerin kommt sogar aus Hamburg. Wir wollen nicht ortsgebunden sein, da wir ein spezielles musikalisches Profil haben und dafür Menschen suchen, die das können und wollen.

Wie würden Sie das Profil der Besetzung beschreiben, was das Alter, musikalische Vorbildung und dergleichen betrifft?
Zum Profil gehört auf jeden Fall, dass wir recht anspruchsvolle Musik erarbeiten. Von daher würde ich von engagierten Laien sprechen. Eine Vorbildung im Sinne von Gesangsausbildung ist aber nicht der Anspruch. Altersmäßig liegen wir gerade im „mittleren“ Bereich und wünschen uns wieder mehr jüngere Mitglieder. Momentan haben wir eine gute Kammerchor-Stärke von etwa 25 Leuten.
 
Wie funktioniert der Probenmodus bei einem so großen Einzugsgebiet? Da sind wöchentliche Termine doch sicher schwierig.
Deshalb treffen wir uns auch nur einmal im Monat, für einen Freitagabend und den gesamten Samstag – manchmal auch noch mit Sonntag, wenn wir im Gottesdienst singen.

Das klingt nach viel Engagement und Zeitaufwand, gerade bei langen Anreisen.
Das ist auf Fälle so! Da besteht ein großes Interesse der SängerInnen, das hat auch über Corona und Probenpausen getragen – wir hatten tatsächlich keine Verluste dadurch. Das finde ich bemerkenswert.
 
Kurz eingehakt: Welchen Probenmodus gab es während Corona?
Während des ersten Lockdowns haben wir pausiert, danach gingen wir zu Online-Varianten über. Jetzt haben wir ein Hybrid-Modell, proben also in Präsenz und haben parallel dazu eine Live-Übertragung für alle, die nicht persönlich teilnehmen können.
 
Ihr Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischer Kirchenmusik. Was genau bedeutet für Ihre Literaturauswahl „zeitgenössisch“?
Grundlegend heißt es erst einmal, dass wir nicht im Rock-Pop-Bereich unterwegs sind, sondern in der E-Musik [Anm. d. Red.: „Ernste“ Musik vs. „Unterhaltungsmusik“]. Wichtig ist uns insbesondere, dass die Komponisten einen persönlichen geistlichen Bezug, eine innere Verbindung haben. Zeitlich bewegen wir uns in Musik der letzten 30 bis 40 Jahre. Wir möchten die Neue Musik voranbringen, neue Facetten zeigen, gern auch Uraufführungen singen.
Wir legen aber auch Wert auf einen Wechsel zwischen Alter und Neuer Musik, versuchen das in Konzerten im Wechselspiel aufzuführen. Unsere Programme sind also nie rein zeitgenössisch, sondern es ist immer noch etwas „Klassisches“ dabei.

Die SängerInnen der Meißner Kantorei sind auf der Suche nach frischem Nachwuchs!
Die SängerInnen der Meißner Kantorei sind auf der Suche nach frischem Nachwuchs! © Bernhard Vetter

Worin liegt für Sie persönlich der Reiz zeitgenössischer Musik? Diesen Fokus haben ja nicht viele Chöre.
Für mich persönlich liegt der Reiz darin, dass die Stücke eine Erarbeitung brauchen. Natürlich muss jede Art von Musik erarbeitet werden! Aber gerade bei Zeitgenössischem muss man sich besonders mit dem Stück vertraut machen, man hat noch keine Vorstellung davon – anders als bei einem klassischen Werk, wo man zumindest eine Idee hat. Durch diesen intensiven Erarbeitungsprozess wird eine andere Tiefe, eine besondere Verbindung zum Stück hergestellt. Das finde ich faszinierend, weil die Musik dann ganz anders in mir verankert bleibt.
 
Was erwartet die Zuhörer bei Ihren Konzerten? Ganz abstrakte, atonale Klänge? Für wen ist ein Konzert lohnenswert?
Lohnenswert ist ein Zuhören unbedingt! Wir singen auf jeden Fall Musik, die „hörbar“ ist, unser Anspruch ist nicht, ganz abstrakte und atonale Werke aufzuführen. Manchmal gibt es bei Konzerten dann auch eine kleine Einführung, mit Hörbeispielen – da, wo eine „Brücke“ nötig erscheint.
Natürlich haben wir uns mit den Stücken im Vorfeld viel intensiver befasst als ein Zuhörer, der nur einmal im Konzert mit dem Hörerlebnis konfrontiert ist. Das kann herausfordernd sein. Aber es gibt immer wieder spannende Überraschungen – dass Stücke eine große Wirkung hinterlassen und das Publikum sehr berühren.
 
Welche Projekte oder Highlights gibt es für 2022?
Im Mai singen wir in Mühlhausen. Im Juni sind wir in Dresden, im Juli in Crimmitschau, im August ist die „Singwoche“ in Marburg mit zwei Konzerten, im Oktober sind wir in Colditz und im November in Querfurt. Man sieht, unsere Absicht sind keine festen Konzertorte. Unsere Idee ist, zu den Menschen zu gehen – was heißt, eben auch in kleinen Dorfgemeinden zu singen. Unser Fokus liegt zwar in Sachsen, aber wir sind auch darüber hinaus unterwegs.
 
Was hat es mit der Singwoche auf sich?
Das ist die Singwoche für zeitgenössische Kirchenmusik. Das ist eine Art Chorfreizeit vom Kirchenchorwerk Sachsen, organisiert von der Meißner Kantorei. Man kann sich dafür anmelden – auch als Einzelperson, außerhalb unseres Chores – und dann gibt es eine gemeinsame Probenzeit und Erarbeitung von Stücken, aber auch gemeinsame Freizeitaktivitäten. Am Ende singen wir dann zwei Konzerte in der Region.
 
Was wünschen Sie sich für die nächsten Monate?
Ich wünsche mir, dass wir wieder richtig losgehen und richtig singen können. Da bin ich dieses Jahr aber ganz zuversichtlich. Ich wünsche mir, dass wir ganz bald nicht mehr in diesem Hybrid-Modus sein müssen. Ansonsten hoffe ich darauf, den Chor wieder etwas zu „verjüngen“ – damit auch die nächsten 61 Jahre gut abgesichert sind.

Weitere Informationen und Interviews mit Dresdner Chören gibt es auf der Homepage hier.