Augusto fragt nach... bei AuditivVokal Dresden

Olaf Katzer, Gründer und künstlerischer Leiter des Profiensembles AuditivVokal, spricht über die Lage von Berufsmusikern in Pandemiezeiten und darüber, dass - trotz aller Belastung - ständiges Beklagen auch nicht weiterhilft.

Von Marie-Luise Redlich
Olaf Katzer ganz in seinem Element - beim Konzert mit seinen SängerInnen von AuditivVokal Dresden.
Olaf Katzer ganz in seinem Element - beim Konzert mit seinen SängerInnen von AuditivVokal Dresden. © Klaus Gigga

Kunstschaffende zählen zu denjenigen, welche von Corona besonders hart getroffen werden. Profi-Ensemble wie AuditivVokal dürfen – im Gegensatz zu Laienchören – arbeitsrechtlich noch ihre Probentätigkeit aufrechterhalten. Dafür spüren sie finanzielle wie auch mentale Belastungen durch die Pandemie umso mehr. Olaf Katzer spricht über die Herausforderungen für Berufsmusiker und darüber, in der aktuellen Lage nicht das Wichtigste aus dem Blick zu verlieren. 

Herr Katzer, für zahlreiche Laienchöre ist bereits seit Ende November Schluss mit Präsenzproben. Wie sieht das bei einem Profichor wie AuditivVokal aus?
Was beruflich gemacht wird, kann auch erstmal weitergeführt werden – mit Einschränkungen. Bei uns gilt: am Arbeitsplatz 3G, wir dürfen proben. Aber alle Kulturveranstaltungen sind abgesagt. Wir könnten es machen, aber eben ohne Publikum – als Digitalaufnahme oder als Livestream. Das muss jetzt neu bewertet werden. Es hat auch viel mit Finanzen zu tun, mit Fördermitteln, Geldgebern und dergleichen.

Gab es im Zusammenhang mit Corona größere Pausen in Ihrer Arbeit mit den SängerInnen?
Wir waren die ganze Zeit aktiv, bis auf die ersten Wochen im März [Anm.: Pandemiebeginn 2020]. Und seitdem haben wir eigentlich durchgearbeitet, ob das nun Digitalprojekte waren oder Liveprojekte im Sommer. Aber jetzt wird das so die ‚Quadratur des Kreises‘, man will das nicht mehr wahrhaben. Trotzdem hilft jetzt nur der Blick nach vorn und die Frage: Wie können wir am besten mit der Situation umgehen?

Eine optimistische Perspektive fällt vielen Kunstschaffenden aktuell ja verständlicherweise schwer…
Das Beste daraus zu machen, das war von Anfang an eines meiner Ziele. Und auch die Situation von der anderen Seite zu beleuchten. Klagen hilft auch nicht weiter – es ist ein Moment, das Leben neu zu betrachten und eingefahrene Muster zu hinterfragen, auch im Musikbetrieb. Und daraus dann vielleicht Schritte zu tun, mit denen man Verbesserungen erreicht, die man sonst nicht angepackt hätte.

Sind in Ihrer Besetzung Lücken entstanden, durch Krankheitsfälle oder Quarantäne? Oder konnte der normale Probenbetrieb aufrechterhalten werden?
Glücklicherweise hatten wir bisher nur falsch positive Tests und da konnte man sich immer noch ‚heraustesten‘. Eher, dass die Sänger mental nicht gut drauf sind – nicht nur bei Auditiv. Im Dezember wäre z. B. viel Weihnachtsoratorium gewesen, das wurde von den Kantoreien gerade alles abgesagt. Das ist ein mentales Problem, aber auch ein wirtschaftliches, wenn für freischaffende Musiker die Einnahmen wegbrechen. Aber die Erfahrung vom letzten Jahr ist: Auch wenn die Corona-Hilfen relativ spät kamen, sie sind gekommen. Trotzdem ist es nicht schön, wenn man als Freischaffender kein geregeltes Einkommen mehr hat. Das ist schon dramatisch auf einer seelischen Ebene. Da muss man aufpassen, dass kein Frust entsteht. Aber wir konnten immer an etwas arbeiten, da waren dann auch die Sänger ganz glücklich.

Sänger beim Konzert
Die SängerInnen von AuditivVokal beim Konzert mit Olaf Katzer. © Klaus Gigga

Bei vielen Laienchören sind die Themen ‚Transparenz und Kommunikation‘ kritisierte Punkte – Unklarheit, was man darf und was nicht. Haben Sie das bei AuditivVokal auch so erlebt?
Teilweise schon. Aber da kann ich mich verlassen auf unser Management, da haben wir zwei Leute, die sich darum kümmern. Die kann ich fragen, dann sprechen wir darüber und es war in der Regel schon klar, wie es sein muss. Es ist natürlich alles ein riesiger zusätzlicher Aufwand, für das Management und für mich dann auch noch ein bisschen. Weil es immer um individuelle Probleme geht, die neu betrachtet werden müssen. Mir erscheint das jetzt gerade sauber, was das Arbeitsrecht betrifft: 3G, ganz einfach. In den Wochen, als das noch nicht war, haben wir uns freiwillig alle vor jeder Probe getestet, auch die Geimpften.

Worin äußert sich dieser riesige Zusatzaufwand zum Beispiel?
Wir sind im Stress und auch am Limit – an Projekten sind wir teilweise noch in der ersten Jahreshälfte. Manches, das wir jetzt machen, war eigentlich schon für das letzte Jahr geplant. Das waren jetzt vier oder fünf Projekte, die zusätzlich zu den ohnehin geplanten dazukamen – teilweise im Frühjahr schon geprobt, teilweise nicht. Die mussten nun irgendwie ‚reingequetscht‘ werden.

Sicherlich ist es frustrierend, wenn Dinge, die schon geprobt wurden, dann gar nicht mehr zur Aufführung kommen?
Naja, da müssen wir als Profis damit umgehen. Natürlich ist die mentale Dimension da, man arbeitet ja immer auf ein Ziel hin. Aber: Man arbeitet eben einfach auch. Für das Ethos des Berufsmusikers heißt das, wenn man so will, dass man das auch im Dienste der Gesellschaft tut. Ich bin kein Freund davon, wenn man nur meckert. Jeder muss seinen Teil beitragen. Natürlich finde ich die Schließungen nicht gerechtfertigt. Und vieles hätte sich verhindern lassen, wenn sich einfach mehr Leute hätten impfen lassen, ist meine Meinung. Aber wir denken zu wenig an die Leute, die jetzt gerade Schwerstarbeit tun.

Sie meinen diejenigen, die zum Beispiel in Kliniken arbeiten?
Diese Leute, die die Arbeit in Krankenhäusern machen – die haben, finde ich, viel zu wenig Wertschätzung in der Gesellschaft. Bei Auditiv konnten wir uns auch mal eine Zeit lang ohne Publikum äußern. Jeder Künstler braucht auch mal eine Auszeit. 

Also erleben Sie es persönlich gar nicht als so dramatisch, wenn jetzt einige Auftritte wegfallen?
Die gesamte Situation, die finde ich natürlich dramatisch! Die Nebenwirkungen – die sind in erster Linie aufwändig. Aber die stehen in keinem Verhältnis zu dem, was gerade in Krankenhäusern passiert. Wir sind grundlegend hier ein sehr reiches Land. Ich will die Situation keineswegs gutheißen, das möchte ich auf keinen Fall sagen! Aber die Kunst darf auch darauf hinweisen, dass andere Berufsgruppen zu wenig Wertschätzung erfahren. 

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