Wackerbarth plant Straußwirtschaft mitten im Weinberg und neben einer Rarität

Im Goldenen Wagen lässt das Staatsweingut in Radebeul ein Winzerhaus sanieren. In unmittelbarer Nachbarschaft steht ein ganz besonderer Weinstock.

Von Silvio Kuhnert
In dem Winzerhaus im Weinberg Goldener Wagen entsteht eine Straußwirtschaft, die im Frühsommer nächsten Jahres öffnet. Von diesem Blickwinkel aus rankt vor dem Fachwerkgebäude an der Steilmauer ein Rebstock biblischen Alters.
In dem Winzerhaus im Weinberg Goldener Wagen entsteht eine Straußwirtschaft, die im Frühsommer nächsten Jahres öffnet. Von diesem Blickwinkel aus rankt vor dem Fachwerkgebäude an der Steilmauer ein Rebstock biblischen Alters. © Arvid Müller

Radebeul. Der Goldene Wagen ist die Premiumlage des sächsischen Weinanbaugebiets im Elbtal. Dass dort guter Wein wächst, hat schon Kurfürst August der Starke (1670-1733) erkannt. Er hat den Radebeuler Flecken zur königlichen Weinbergslage erhoben. Der Goldene Wagen hat aber nicht nur Rebstöcke zu bieten, sondern auch eine traumhafte Aussicht ins Elbtal, mit der Lößnitzstadt und Dresden. Am Horizont zeichnen sich die Tafelberge der Sächsischen Schweiz ab.

Diesen Blick können Radebeuler und ihre Gäste im Sommer nächsten Jahres von einer Terrasse mitten im Weinberg genießen. Ein Bauschild neben dem markanten Tor am Fuße der Spitzhaustreppe kündigt ein Bauprojekt von Schloss Wackerbarth an. Das Staatsweingut lässt das Winzerhaus im Goldenen Wagen sanieren. "Als Straußwirtschaft wollen wir es im Frühsommer 2023 eröffnen", kündigt Michael Thomas, Leiter Vertrieb und Marketing von Schloss Wackerbarth, an. Fast 100 Jahre ist das Gebäude zwischen den Steilmauern des rund 90 Meter hohen, terrassierten Weinberges alt. In traditioneller Fachwerkbauweise wurde es 1925 von Alfred Tischer errichtet.

Steilmauern um das Haus bereits saniert

In den zurückliegenden Jahrzehnten diente es als Pausenraum sowie Unterschlupf bei Regen für die Weinbauer. Auch ihre Arbeitsgeräte lagerten sie dort. Auf diese Weise hat auch das Staatsweingut das Gebäude bis voriges Jahr genutzt. Jedoch sieht man dem Haus schon aus der Ferne an, dass der Zahn der Zeit an diesem nagt. Der Putz bröckelt, die Holzbalken des Fachwerks sind stark verwittert. "Es weist größere Schäden im Tragwerk und Dach auf", sagt Thomas.

Michael Thomas (l.) und der technische Leiter des Sanierungsprojekts, Lutz Bürger, halten vor dem Winzerhaus eine Zeichnung in der Hand, wie das Gebäude nach Abschluss der Bauarbeiten aussehen wird.
Michael Thomas (l.) und der technische Leiter des Sanierungsprojekts, Lutz Bürger, halten vor dem Winzerhaus eine Zeichnung in der Hand, wie das Gebäude nach Abschluss der Bauarbeiten aussehen wird. © Arvid Müller

Der Starkregen am 10. August 2020 hat die Baufälligkeit nicht nur des Winzerhauses deutlich aufgezeigt. An jenem Montagvormittag kamen bei einem heftigen Gewitterguss über 70 Liter Regen auf einmal vom Himmel. Schlamm- und Gerölllawinen gingen von den Hängen runter. Am Goldenen Wagen rund um das Winzerhaus stürzten Mauern ein, purzelten Steinbrocken bis hinunter auf die Straße. Bereits in den zurückliegenden zehn Monaten ließ Schloss Wackerbarth im Auftrag des Freistaates Sachsen die am Winzerhaus angrenzende Weinbergsmauer umwelt- und denkmalgerecht sanieren. Für die erneuerte Fläche von 239 Quadratmeter waren rund 405 Tonnen Bruchstein nötig. Die Gesamtkosten dieser Arbeiten betrugen rund 190.000 Euro.

Insgesamt 55 Sitzplätze bietet die Straußwirtschaft

Im kommenden Juli beginnen die Bauarbeiten am Winzerhaus. Dieses wird entsprechend dem historischen Erscheinungsbild rekonstruiert. Im Untergeschoss entstehen ein Lager sowie ein WC. Ins Obergeschoss kommt eine Küche sowie ein Ausschankraum mit 25 Sitzplätzen. Beide Stockwerke sind jeweils von einer Weinterrasse aus erreichbar. Eine Außentreppe verbindet beide Plateaus und Stockwerke. Neben dem Ausschankraum wird eine Außenterrasse mit 30 Sitzplätzen angelegt. Das Staatsweingut geht aktuell von Baukosten in Höhe von 650.000 Euro aus.

Vor allem an der Westfassade bröckelt der Putz.
Vor allem an der Westfassade bröckelt der Putz. © Arvid Müller

Unmittelbar am Winzerhaus steht eine echte Rarität, ein Weinstock, der um das Geburtsjahr Augusts des Starken gepflanzt wurde. Es handelt sich um einen Rebstock der Sorte „Früher Leipziger“. "Dieser ist rund 350 Jahre alt und damit der viertälteste Rebstock der Welt und zweitälteste Hausrebstock Deutschlands", sagt Thomas. Nach dem Umbau des Winzerhauses zur Straußwirtschaft soll dieser für Einheimische und ihre Besucher touristisch zugänglich sein. Noch ist der Weg zu dieser Rebe versperrt. In dessen Nähe befindet sich das bekannte Tor des Weinbergs mit vergoldetem Schlussstein. Das Winzerhaus ist im Eigentum des Freistaats Sachsen.

"Genuss" ein Entscheidungskriterium bei Touristen

Der Betrieb einer Straußwirtschaft ist an strenge Kriterien geknüpft. Laut Thomas darf diese nur vier Monate im Jahr Wein ausschenken. Der Rebensaft muss von dem die Wirtschaft umgebenden Weinberg stammen. Zudem dürfen nur einfache Speisen angeboten werden. Mit dem neuen Ausschank will das Staatsweingut die touristische Attraktivität des Elblandes weiter stärken. Wie Thomas berichtet, ist das Thema "Genuss" ein Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines Urlaubsziels für Reisende in Deutschland.

Dies bestätigen aktuelle Marktforschungszahlen des Magic Cities Städtereisemonitors und von inspektour zur Destination Brand Dresden 2021. Das Elbtal halten bereits heute 43 Prozent aller Gäste als geeignet für „Weinreisen“. Vor allem die Ausflugsmöglichkeiten in der Region – darunter auch ein Besuch der Winzer an der Sächsischen Weinstraße – sind sehr geschätzt. Sie gehören neben dem Thema „Kulturangebot/Kunstschätze“ und „Stadtbild“ zu den Top drei der touristischen Standortfaktoren Dresdens. 81 Prozent bewerten die Ausflugsmöglichkeiten mit „sehr gut“ oder „gut“. In dieser Kategorie besitzt Dresden im Vergleich mit allen anderen „Magic Cities“ (Hamburg, Bremen, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Nürnberg, München und Leipzig) die größte Attraktivität. Auch das kulinarische Angebot der Region schätzen 78 Prozent der Gäste als „sehr gut“ oder „gut“ ein. Der Besuch von Restaurants gehört für 74 Prozent und ein Ausflug in die Region für 40 Prozent der Gäste fest zum Programm bei ihrem nächsten Aufenthalt in der Landeshauptstadt.

Schloss Wackerbarth sieht sich auch der Sicherung und Förderung der sächsischen Weinkulturlandschaft verpflichtet. Im Goldenen Wagen sowie am Hausweinberg oberhalb der barocken Anlage bewirtschaftet das Weingut Steillagen mit rund 23.000 Quadratmetern an historischen Sandsteinmauern. Von diesen sind rund 80 Prozent sanierungsbedürftig. Bislang hat Wackerbarth 5.400 Quadratmeter auf Vordermann gebracht.