Im Rampenlicht

Die Augusto-Kolumne - diesmal zu Welthits, die man inzwischen mit anderen Ohren hört.

Von Tom Vörös
Kolumnen-Autor Tom Vörös in Aktion.
Kolumnen-Autor Tom Vörös in Aktion. © DDV-Media

Lieber R. Kelly,

als wir in unserer Sturm-und-Drang-Zeit Ihren Welthit „I Believe I Can Fly“ in einer einschlägigen Kleinstadt-Großraumdisko genießen durften, da hoben wir für ein paar kurze Minuten gefühlt ab, in andere Sphären. Wir träumten uns hoch hinaus in ein noch ungeschriebenes Leben. Für einen harmonisch-einträchtigen Moment lang durften wir Spätpubertierenden im Glanz der Diskokugel endlich einmal ganz über den vielen Dingen schweben, die noch zu bewältigen waren – ein wirklich erhabenes Gefühl.
Aus dieser Perspektive war es ein herber Schock, werter Herr Kelly, dass Sie im September wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurden. Offenbar flogen Sie ebenfalls hoch hinaus, nur auf einem ganz anderen Level und setzten sich dabei über vielerlei Grenzen hinweg.
Dass gerade Musiker, die des Sprechgesangs mächtig sind, sich mit Frauen schmücken war auch damals natürlich kein Geheimnis. Das ganze Ausmaß der „Möglichkeiten“ und deren massive Duldung innerhalb des Musikgeschäfts aber schon. Nun entfernte YouTube zwei Ihrer offiziellen Kanäle. Ein kleines Zeichen des Aufbruchs, ja. Ihre Musik ist aber weiterhin verfügbar. Dass Künstler sich manchmal außerhalb der Norm bewegen (dürfen), darf nach einem solchen Urteil allerdings unbedingt infrage gestellt werden. Wenn Menschen innerhalb des Kulturbetriebes ernsthaft zu Schaden kommen, dann kann dieser Umstand mit keinem Hit der Welt überspielt werden.
Auch bei Michael Jackson scheiden sich längst die Musik-affinen Geister, ob seine Musik noch gespielt werden sollte. Er wurde zwar nicht offiziell verurteilt, doch die vermeintlich Geschädigten, die Kinder der Neunzigerjahre, sprechen seit Jahren eine andere Sprache.
Sicherlich bin ich nicht der Einzige, der beim Hören von „I Believe I Can Fly“ von R. Kelly oder „Billy Jean“ von Michael Jackson inzwischen Schwierigkeiten hat, den Menschen hinter dem Künstler gänzlich beiseite zu schieben und einfach die Musik zu genießen. Etwas hat sich verändert.